Königsklingen (First Law - Band 3)
»Wie können Sie es wagen, mich zu unterbrechen? Was zur Hölle ist ...«
Jezals Wutausbruch wurde von einem rotglühenden Schimmer unterbrochen, den er aus dem Augenwinkel wahrnahm, gefolgt von einer donnernden Explosion. Er riss den Kopf herum und sah, dass Flammen in einiger Entfernung aus dem Meer von Dächern zu seiner Rechten schlugen. Unten auf dem Platz holten die Menschen wie aus einem Mund erschrocken Luft, und dann zog sich eine Welle nervöser Bewegung durch die Menge.
»Der gurkhisische Beschuss hat begonnen«, sagte Varuz.
Ein Feuerstreif stieg über den gurkhisischen Linien in den weißen Himmel. Jezal folgte mit offenem Mund seiner Bahn, als er auf die Stadt zuschoss. Er schlug in einigen Gebäuden ein, diesmal zu Jezals Linken, und helles Feuer loderte hoch in die Luft. Das schreckliche Krachen erreichte seine Ohren erst einen Augenblick später.
Von unten erschollen laute Rufe. Befehle vielleicht, oder auch Panikschreie. Die Menge begann nun in alle Richtungen gleichzeitig zu strömen. Die Menschen liefen auf die Mauer zu, eilten zu ihren Häusern oder irrten ohne bestimmtes Ziel herum, und es entstand ein wildes Gedränge aus schubsenden Körpern und schwankenden Stangenwaffen.
»Wasser!«, schrie jemand.
»Feuer!«
»Euer Majestät.« Gorst führte Jezal bereits wieder zur Treppe. »Sie sollten sofort in den Agriont zurückkehren.«
Jezal zuckte zusammen, als sich die nächste markerschütternde Explosion ereignete, diesmal sogar noch näher als die vorigen. Rauch erhob sich bereits in öligen Fahnen über der Stadt. »Ja«, murmelte er und ließ es zu, dass man ihn in Sicherheit brachte. Dann merkte er, dass er noch immer den Degen gezogen hatte, und schob ihn beinahe ein wenig schuldbewusst in die Scheide zurück. »Ja, natürlich.«
Furchtlosigkeit, so hatte Logen Neunfinger einmal erklärt, ist närrische Angeberei.
ZWISCHEN PEST UND BLÄTTERN
Glokta bebte vor Lachen, keuchendes Gurgeln schlabberte durch seine leeren Kiefer, und der harte Stuhl knirschte unter seinem knochigen Hintern. Sein Husten und Röcheln hallte dumpf von den kahlen Wänden seines düsteren Wohnzimmers wider. Es klang ein kleines bisschen, als weinte er.
Und vielleicht ist es auch ein wenig so.
Jedes Zucken seiner verdrehten Schultern trieb Nägel in seinen Hals. Jedes Anspannen seines Brustkorbs schickte Blitze aus Schmerz bis in die Zehen, die ihm noch verblieben waren. Er lachte, und das Gelächter tat weh, aber der Schmerz ließ ihn nur noch lauter lachen.
Ach, welche Ironie! Ich kichere vor Hoffnungslosigkeit. Ich gluckse vor Verzweiflung.
Speichelblasen flogen von seinen Lippen, während er ein letztes, langes Wimmern ausstieß.
Wie der Todeskampf eines Schafes, nur längst nicht so würdevoll.
Dann schluckte er und wischte sich die tränenden Augen.
Oh, so habe ich seit Jahren nicht mehr gelacht. Nicht mehr, seit die Folterknechte des Imperators an die Arbeit gingen, würde ich fast sagen. Und dennoch ist es nicht so schwer, damit aufzuhören. Schließlich ist hier eigentlich gar nichts wirklich lustig, oder?
Er hob den Brief und las ihn erneut.
Herr Superior Glokta
,
meine Auftraggeber beim Bankhaus Valint und Balk sind mit Ihren Fortschritten mehr als unzufrieden. Es ist nun bereits einige Zeit vergangen, seit ich Sie bat, uns über die Pläne von Erzlektor Sult zu informieren, vor allem, was sein stetiges Interesse an der Universität betrifft. Seitdem haben wir keine Nachrichten mehr von ihnen erhalten.
Möglicherweise glauben Sie, dass das plötzliche Auftauchen der Gurkhisen vor den Mauern unserer Stadt die Erwartungen meiner Auftraggeber geändert haben könnte.
Das ist jedoch nicht im Geringsten der Fall. Nichts wird ihre Erwartungen ändern.
Sie werden sich binnen einer Woche bei uns melden, oder wir sehen uns gezwungen, Seine Eminenz über Ihre geteilte Loyalität zu informieren.
Sicher muss ich Sie nicht eigens darauf hinweisen, dass es klug wäre, diesen Brief zu vernichten.
Mauthis
Glokta starrte im Licht der einzigen Kerze lange auf das Schreiben, und sein zerstörter Mund stand offen.
Dafür habe ich die vielen Monate der Qual in der Dunkelheit der Gefängnisse des Imperators ausgehalten? Mich auf meine brutale Art durch die Tuchhändlergilde gefoltert? Mir einen blutigen Weg durch die Stadt Dagoska geschlagen? Um meine Tage so schmachvoll zu beenden, gefangen zwischen einem bitteren alten Bürokraten auf der einen und einer Bank verräterischer Schwindler auf der anderen Seite?
Weitere Kostenlose Bücher