Königsklingen (First Law - Band 3)
– ein Flickenteppich aus Braun, Grün, Gelb, von Bäumen und kargen Hecken unterbrochen. In der Ferne konnte West die äußersten Stadtmauern von Adua erspähen, eine strenge graue Linie, von der pickelartig einige Türmchen aufragten. Dahinter erhoben sich in hellerem Grau die unscharfen Umrisse von Gebäuden gegen den Himmel. Sie wurden überschattet vom hoch aufragenden, unheimlichen Haus des Schöpfers, finster und reuelos. Alles in allem war es eine düstere Heimkehr.
Es ging kein Wind, nicht das kleinste Lüftchen. Die kühle Luft war seltsam still. Als gäbe es keinen Krieg, als zögen keine sich bekämpfenden Truppen gegeneinander, als stünde keine blutige Schlacht bevor. West schwenkte das Fernrohr von einer Seite zur anderen, aber er sah kaum etwas von den Gurkhisen. Vielleicht war da so etwas wie eine Barrikade vor den Mauern, vielleicht die Umrisse winziger, stecknadelgroßer Speere, aber auf diese Entfernung und in diesem Licht konnte er gar nichts mit Sicherheit sagen.
»Sie müssen uns erwarten. Das kann gar nicht anders sein.«
»Vielleicht sind sie Langschläfer«, meinte Jalenhorm, wie immer das Beste hoffend.
Pike war wesentlich direkter. »Was macht es für einen Unterschied, ob sie uns erwarten oder nicht?«
»Keinen großen«, gab West zu. König Jezals Befehle waren präzise gewesen. Die Stadt war von gurkhisischen Truppen durchsetzt, und die Verteidigungsanlagen standen kurz vor dem kompletten Zusammenbruch. Es blieb keine Zeit, um sich eine schlaue Strategie auszudenken, sich vorsichtig anzuschleichen und nach Schwachstellen in den feindlichen Linien zu suchen. Aberwitzigerweise hätte sogar Prinz Ladisla in dieser speziellen Lage das Kommando führen können, ebenso gut wie jeder andere. Tatsächlich verlangten die Umstände nach einem heldenmutigen Angriff, der unweigerlich mit Tod oder Ruhm belohnt werden würde. Das Einzige, was West tatsächlich beeinflussen konnte, war der Zeitpunkt.
Brint brachte sein Pferd in der Nähe zum Stehen und wirbelte einen Schauer Kiesel in die kalte Luft. Er schwang sich aus dem Sattel und grüßte elegant. »General Kroys Reiterei hat am rechten Flügel Stellung bezogen, Herr Marschall, und ist bereit, auf Ihren Befehl hin anzugreifen.«
»Ich danke Ihnen, Herr Hauptmann. Seine Fußtruppen?«
»Sind vielleicht zur Hälfte aufgestellt. Einige Kompanien ziehen erst noch über die Straßen heran.«
»Immer noch?«
»Es ist ziemlich schlammig dort, Herr Marschall.«
»Hm.« Heere hinterließen überall Schlamm auf ihren Wegen, so wie eine Schnecke Schleim. »Was ist mit Poulder?«
»Da sieht es ähnlich aus, soweit ich das beurteilen kann«, antwortete Brint. »Keine Nachrichten von ihm?«
Jalenhorm schüttelte den Kopf. »General Poulder war heute Morgen noch nicht sehr mitteilungsfreudig.«
West sah zur Stadt hinüber, zu jener entfernten grauen Linie hinter den Feldern. »Bald.« Er kaute an seiner Unterlippe, die schon wund war, so viele Sorgen, wie er hatte. »Sehr bald. Wir dürfen aber auch nicht halb vorbereitet losschlagen. Wenn ein paar mehr von den Fußtruppen zur Stelle sind ...«
Brint sah mit düsterem Gesicht nach Süden. »Herr Marschall, ist das etwa ...« West folgte seinem Finger mit den Augen. Dort am linken Flügel, wo Poulder seine Division zusammengezogen hatte, bewegte sich die Reiterei bereits schwungvoll vorwärts.
West starrte ungläubig dorthin, während die Pferde immer schneller wurden. »Was, zur ...«
Die zwei vollen Reiterregimenter fielen in majestätischen Galopp. Es waren Tausende, die nun über das offene Ackerland strömten, um die Bäume und die einzelnen Gehöfte herum, und hinter sich eine Wolke Staub aufwirbelten. West konnte nun sogar das Trommeln der Hufe hören, wie weit entfernten Donner, und spürte beinahe das Beben der Erde durch seine Stiefel. Die Sonne schimmerte auf erhobenen Schwertern und Lanzen, auf Schilden und Rüstungen. Banner flatterten und flogen im Wind. Es war ein Anblick kriegerischer Großartigkeit. Eine Szene wie aus einer dramatischen Erzählung mit muskelbepacktem Helden, in der bedeutungslose Worte wie Ehre und Rechtschaffenheit oft wiederholt wurden.
»Scheiße«, knurrte West durch die zusammengebissenen Zähne, während er das vertraute Pulsieren hinter seinen Augen spürte. General Poulder hatte während des ganzen Kriegszugs durch den Norden einen seiner berüchtigten berittenen Angriffe führen wollen. Dort hatten ihm das schwierige Gelände, das unfreundliche Wetter
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