Königsklingen (First Law - Band 3)
Ratssprecher. Langsam und mit grimmig gerunzelter Stirn erhob sich Lord Hoff und wandte sich den Anwesenden zu.
»Liebe Freunde! Liebe Kollegen! Hoch verehrte Lords von Midderland, Angland und Starikland, geschätzte Stadträte von Westport! Guslav der Fünfte, unser König ... ist tot. Seine beiden Erben ... sind tot. Einer fiel unter den Händen unserer Feinde im Norden, der andere unter den Händen unserer Feinde aus dem Süden. Dies ist wahrlich eine sorgenvolle Zeit, und wir stehen ohne einen Mann da, der uns führt.« Damit hob er die Arme beschwörend zu den Ratsmitgliedern. »Ihnen wurde nun eine große Verantwortung auferlegt. Die Wahl eines neuen Hochkönigs der Union aus Ihrer Mitte. Jeder Mann, der einen Sitz im Offenen Rat hier innehat, ist ein möglicher Kandidat! Jeder von Ihnen ... könnte unser nächster König sein.« Eine Salve fast hysterischen Flüsterns flutete von der Besuchergalerie heran, und Hoff musste die Stimme heben, um sich Gehör zu verschaffen.
»Eine solche Wahl hat in der langen Geschichte unserer großen Nation bisher nur ein einziges Mal stattgefunden!
Nach dem Bürgerkrieg und dem Sturz von Morlick dem Verrückten, als Arnault in beinahe einstimmiger Wahl auf den Thron gehoben wurde. Er ist der Ahnherr des großen Herrschergeschlechts, das bis vor wenigen Tagen Bestand hatte.« Er ließ die Arme wieder fallen und starrte traurig auf den Fliesenboden. »Weise war die Wahl, die Ihre Vorväter weiland trafen. Wir können nur hoffen, dass jener Mann, der heute gewählt wird, von und im Angesicht seiner Landsleute, ein Herrschergeschlecht gründen möge, das ebenso edel, stark, gerecht und langlebig sein wird!«
Wir können nur hoffen, dass die Wahl auf jemanden fällt, der tut, was man ihm sagt.
Ferro schob eine Frau in einem langen Liberkleid aus dem Weg. Sie schubste mit den Ellbogen einen dicken Mann zur Seite, dessen Hamsterbacken empört zitterten. Sie kämpfte sich bis an das Geländer vor und sah nach unten. Der große Saal unter ihr war voll besetzt mit alten Männern in pelzbesetzter Kleidung, die sich auf hohen Sitzbänken zusammendrängten, und jeder hatte eine funkelnde Kette um die Schultern und einen schimmernden Schweißfilm auf dem blassen Gesicht. Ihnen gegenüber, hinter einem gebogenen Tisch, saßen weitere Männer, allerdings viel weniger. Ihr Blick verfinsterte sich, als sie Bayaz an einer Seite entdeckte, der lächelte, als wüsste er etwas, das keiner der anderen auch nur ahnte.
Wie immer.
Neben ihm stand ein fetter Rosig mit einem Gesicht voller geplatzter Äderchen, der irgendwas davon brüllte, dass jeder Mann nach seinem Gewissen entscheiden sollte. Ferro schnaubte. Es hätte sie sehr gewundert, wenn die paar hundert Männer da unten es insgesamt auf mehr als fünf Gewissen gebracht hätten. Oberflächlich schien es, als ob sie alle der Ansprache des fetten Mannes lauschten, aber Ferro sah noch etwas anderes.
Der Raum war voller geheimer Zeichen.
Männer sahen sich von der Seite an und nickten einander verstohlen zu. Sie zwinkerten mit den Augenlidern. Sie hoben den Zeigefinger an die Nase oder ans Ohr. Sie kratzten sich auf seltsame Art und Weise. Ein Spinnennetz voller Geheimnisse, das sich bis in die entfernten Ecken des Saales erstreckte und in dessen Mitte Bayaz grinsend hockte. Ein Stück hinter ihm vor der Wand stand Jezal dan Luthar in einer Uniform, auf der leuchtende Fäden prangten. Ferro kräuselte die Lippen. Sie erkannte es an der Art, wie er dort stand.
Er hatte überhaupt nichts gelernt.
Der Ratssprecher schlug wieder mit seinem Stab auf die Fliesen. »Die Abgabe der Stimmen wird nun beginnen!« Ein abgehacktes Stöhnen war zu hören, und Ferro sah, dass die Frau, an der sie sich zuvor vorbeigedrängt hatte, ohnmächtig zu Boden gesackt war. Jemand zog sie weg und fächelte ihr mit einem Stück Papier Kühlung zu, während die gereizte Menge die entstandene Lücke sofort wieder schloss. »In der ersten Runde wird das Feld auf drei Kandidaten eingegrenzt! Dann wird per Handzeichen über jene Kandidaten mit den größten Ländereien und Besitztümern abgestimmt!«
Unten auf den Bänken begannen die kostbar gekleideten Männer zu schwitzen und zu zittern, als stünde ihnen eine Schlacht bevor.
»Als Erster!«, schrie ein Schreiber, dem die Stimme brach, während er einen riesenhaften Folianten zu Rate zog. »Lord Brock!«
Oben auf der Galerie betupften sich die Besucher die Gesichter, murmelten und keuchten, als stünden sie
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