Königsklingen (First Law - Band 3)
dem Tode gegenüber. Vielleicht traf das auf einige auch zu. Der ganze Saal stank nach Zweifel, Erregung und Entsetzen, so stark, dass es beinahe ansteckend wirkte. So stark, dass sogar Ferro, die sich einen Scheißdreck um die Rosigs und ihre blöde Wahl kümmerte, merkte, wie ihr Mund trocken wurde, ihre Finger juckten und ihr Herz zu klopfen begann.
Der Ratssprecher wandte sich nun der Versammlung zu. »Der erste Kandidat ist Lord Brock! All jene Mitglieder des Offenen Rates, die Lord Brock zum nächsten König der Union wählen möchten, heben bitte die ...«
»Einen Augenblick, meine edlen Herren!«
Glokta wandte ruckartig den Kopf, aber seine Halswirbel rasteten auf halbem Wege ein, und er musste sich anstrengen, um aus dem Winkel seines tränenden Auges mitzubekommen, was vor sich ging. Er hätte sich die Mühe sparen können.
Ich hätte mir ja denken können, wer da spricht, auch ohne mich umzusehen.
Bayaz hatte sich von seinem Stuhl erhoben und lächelte dem Offenen Rat nachsichtig entgegen.
Zeitlich genau abgestimmt.
Ein Hagel zorniger Rufe schallte ihm von den Versammelten entgegen.
»Das ist nicht die richtige Zeit für Unterbrechungen!« »Lord Brock! Ich stimme für Brock!«
»Ein neues Herrschergeschlecht!«
Bayaz’ Lächeln blieb fest. »Aber was, wenn das alte Herrschergeschlecht fortgeführt werden könnte? Was, wenn wir alle einen neuen Anfang wagen«, und damit warf er seinen Kollegen im Geschlossenen Rat bedeutungsvolle Blicke zu, »und gleichzeitig das bewahren könnten, was an unserer jetzigen Regierung gut und richtig ist? Was, wenn es einen Weg gäbe, Wunden heilen zu lassen, anstatt neue zu schlagen?«
»Wie das?«, ertönten nun spöttische Rufe.
»Auf welche Weise?«
Bayaz’ Lächeln wurde noch breiter. »Nun, durch einen königlichen Bastard.«
Ein allgemeiner Aufschrei folgte. Lord Brock sprang von seinem Sitz.
Als ob er eine Feder unter seinem Hintern hätte.
»Das ist eine Beleidigung dieses Hauses! Ein Skandal! Sie beschmutzen das Andenken an König Guslav!«
Nun wirkt er tatsächlich nicht mehr wie ein geifernder, sondern wie ein gefährlicher Kohlkopf.
Andere Ratsmitglieder sprangen ihm bei, die Gesichter rot vor Zorn oder weiß vor Wut, reckten ihre Fäuste in die Luft und brüllten. Die gesamten Bankreihen schienen zu schnauben, zu grunzen und in Aufruhr zu geraten.
Wie die eingepferchten Schweine im Schlachthaus, die gierig nach Küchenabfällen aller Art drängen.
»Halt!«, schrie der Erzlektor, der die weiß behandschuhte Hand flehentlich erhob.
Ist nun vielleicht ein schwacher Hoffnungsschimmer in der Dunkelheit zu erkennen?
»Warten Sie, meine edlen Herren! Es kann doch nichts schaden, ihn anzuhören! Wir werden die Wahrheit zutage fördern, auch wenn sie schmerzhaft ist! Die Wahrheit sollte unser einziges Streben sein!« Glokta musste sich hart aufs Zahnfleisch beißen, um nicht in lautes Lachen auszubrechen.
Oh, aber natürlich, Euer Eminenz! Die Wahrheit war stets das Einzige, was Ihnen je am Herzen lag!
Nach und nach verebbte das Gemurmel. Die Ratsmitglieder, die aufgesprungen waren, wurden mit vorwurfsvollen Blicken wieder zur Ordnung gerufen.
Die Angewohnheit, dem Geschlossenen Rat zu gehorchen, legt man nicht so schnell ab. Aber das ist mit Gewohnheiten schließlich immer so. Vor allem, wenn es um Gehorsam geht. Da muss man sich nur einmal die Hunde meiner Mutter ansehen.
Sie nahmen grummelnd wieder Platz und ließen Bayaz weitersprechen.
»Die edlen Herren haben vielleicht schon einmal von Carmee dan Roth gehört?« Raunen drang von der Besuchergalerie und bestätigte, dass der Name in der Tat nicht unbekannt war. »Sie war eine große Favoritin des Königs in seinen jüngeren Jahren. Eine sehr große Favoritin. So sehr, dass sie schließlich ein Kind empfing.« Wieder wallte Gemurmel auf, diesmal lauter. »Ich hatte schon immer eine sentimentale Schwäche für die Union. Eines meiner Augen war stets auf das Wohl dieses Landes gerichtet, obwohl man es mir kaum gedankt hat.« An dieser Stelle sah Bayaz kurz und mit leicht gekräuselten Lippen zu den Mitgliedern des Geschlossenen Rates hinüber. »Als diese Dame schließlich im Kindbett starb, nahm ich den Bastard des Königs in meine Obhut. Schließlich brachte ich ihn in einer Adelsfamilie unter, wo er gut erzogen und ausgebildet werden sollte, für den Fall, dass die Nation eines Tages ohne Erben dastehen würde. Heute zeigt sich, dass ich damals wahrlich vorausschauend gehandelt
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