Königsklingen (First Law - Band 3)
Oberfläche seines langsam arbeitenden Verstandes. Er war seinen Brüdern nicht besonders ähnlich. Sein Vater hatte ihn stets anders behandelt. Er allein aus der Familie war mit gutem Aussehen gesegnet. Ihm klappte der Mund ein wenig auf, aber er merkte, dass er nicht in der Lage war, ihn zu schließen. Als sein Vater beim Turnier im letzten Jahr Bayaz getroffen hatte, war er weiß wie eine Wand geworden, als hätte er ihn wiedererkannt.
Das hatte er getan – und er war überhaupt nicht Jezals Vater.
Als der König Jezal zu seinem Sieg gratuliert hatte, hatte er ihn für seinen eigenen Sohn gehalten. Der war offenbar viel weniger verblendet und idiotisch gewesen, als man damals gedacht haben mochte. Der alte Narr war der Wahrheit viel näher gekommen als sonst jemand. Plötzlich fügte sich all das auf schreckliche Weise zusammen.
Er war ein Bastard. Im wahrsten Sinn des Wortes.
Er war der leibliche Sohn eines Königs. Und noch schwerer wog, wie er langsam und mit wachsendem Entsetzen begriff, dass man ihn offenbar ernsthaft als dessen Nachfolger in Betracht zog.
»Meine edlen Herren!«, rief Bayaz in das ungläubige Geschnatter hinein, das mit jedem Augenblick lauter wurde. »Sie staunen! Es ist natürlich eine unglaubliche Sache, die schwer zu akzeptieren ist; das verstehe ich sehr gut. Vor allem bei der erdrückenden Hitze hier drin!« Er gab den Wachen auf beiden Seiten des Saales ein Zeichen. »Öffnen Sie die Tore, bitte, und lassen Sie ein wenig frische Luft herein!«
Die Türen schwangen auf, und eine sanfte Brise wehte ins Fürstenrund. Eine kühlende Brise, die noch etwas anderes mitbrachte. Erst war es schwer auszumachen, dann wurde es klarer. Es ähnelte dem Lärm am Ende des Turniers. Sanft, sich stets wiederholend und mehr als nur ein bisschen furchteinflößend.
»Luthar! Luthar! Luthar!« Der Klang seines eigenen Namens, der immer wieder aus Tausenden von Kehlen vor den Mauern des Agrionts erscholl, war unverkennbar.
Bayaz grinste. »Offenbar haben die Menschen der Stadt ihren Favoriten schon gefunden.«
»Es ist nicht an ihnen, ihn zu wählen!«, brüllte Brock, der immer noch auf den Beinen war, sich allmählich aber wieder fasste. »Ebenso wenig wie an Ihnen!«
»Aber es wäre dumm, ihre Meinung zu ignorieren. Die Unterstützung des gemeinen Volkes sollte nicht leichtherzig abgetan werden, schon gar nicht in diesen unruhigen Zeiten. Wenn man sie enttäuschte, gerade in der jetzigen Stimmung, wer könnte da sagen, was geschehen mag? Aufruhr in den Straßen oder noch Schlimmeres? Das will von uns doch sicherlich niemand, oder, Lord Brock?«
Eine faszinierende Geschichte, aber wenn er denkt, dass die gierigsten Männer der Union seine Worte einfach glauben und damit die Krone aufgeben werden, dann ist er schief gewickelt, ganz gleich, ob sich das gemeine Volk vor Begeisterung über Luthar in die Hosen macht oder nicht.
Nun erhob sich zum ersten Mal Lord Ischer aus der ersten Reihe, stattlich und prunkvoll, und die Edelsteine auf seiner Adelskette glitzerten.
Und jetzt geht es los mit den wilden Einsprüchen, dem wütenden Bestreiten, den Forderungen nach Bestrafung.
»Ich glaube aus ganzem Herzen«, rief Ischer nun durchdringend, »dass der Mann, den wir als Oberst Jezal dan Luthar kennen, niemand anderes ist als der leibliche Sohn des kürzlich verstorbenen Königs, Guslavs des Fünften!« Glokta klappte die Kinnlade herunter. Offenbar war jeder im Saal derselben Meinung. »Und dass er aufgrund seines vorbildlichen Charakters und seiner außergewöhnlichen Leistungen, innerhalb wie außerhalb der Union, absolut dafür geeignet ist, die Regierung zu übernehmen!« Wieder ertönte ein Schwall hässlichen Gelächters von der Galerie, aber Ischer ging nicht darauf ein. »Meine Stimme und die Stimmen derer, die mich unterstützen, gebe ich von ganzem Herzen Luthar!«
Wenn Luthar die Augen noch weiter hätte aufreißen können, wären sie ihm aus dem Kopf gequollen.
Und wer könnte ihm deswegen einen Vorwurf machen?
Nun sprang einer der Vertreter Westports auf. »Die Stadträte von Westport stimmen wie ein Mann für Luthar!«, sang er in seinem styrischen Akzent. »Dem leiblichen Sohn und Erben von König Guslav dem Fünften!«
Ein paar Bänke weiter hinten erhob sich ein weiterer Mann. Er warf Glokta einen kurzen und etwas nervösen Blick zu. Es war niemand anders als Lord Ingelstad.
Der verlogene kleine Scheißer, was will der denn jetzt?
»Ich bin für Luthar!«, kreischte
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