Königsklingen (First Law - Band 3)
plötzlich verrückt geworden. »Abmarsch? Ohne Befehle? Ohne eine klare Befehlskette?«
Kroy stieß ein kurzes Schnauben aus. »Unmöglich.« Poulder schüttelte heftig den Kopf. »Undenkbar, völlig undenkbar.«
»Aber die Befehle Marschall Burrs waren völlig eindeutig ...«
»Die Umstände haben sich ganz offenkundig geändert.« Kroys Gesicht war ausdruckslos wie ein Fels. »Bevor ich keinen ausdrücklichen Befehl vom Geschlossenen Rat erhalte, wird niemand meine Division auch nur um Haaresbreite bewegen.«
»General Poulder, Sie werden aber doch sicherlich ...«
»Unter diesen besonderen Umständen kann ich General Kroy nur zustimmen. Die Truppen werden sich keinen Zoll bewegen, bis der Offene Rat einen neuen König gewählt und der König einen neuen Lord Marschall ernannt hat.« Und damit beäugten er und Kroy sich mit tiefstem Hass und Misstrauen.
West stand stocksteif da, der Mund war ihm ein wenig aufgeklappt, und er traute seinen Ohren kaum. Es würde Tage dauern, bis die Nachricht von Burrs Tod den Agriont erreichte, und selbst wenn der neue König sofort einen Ersatz ernannte, würden noch einmal Tage vergehen, bis ihnen die Befehle zugestellt werden konnten. Vor Wests Auge zogen die langen Meilen des Waldwegs nach Uffrith vorbei, die vielen Wegstunden auf dem Meer bis Adua. Eine Woche vielleicht, wenn die Entscheidung sofort gefällt werden konnte, und bei dem Chaos, das die Regierung gegenwärtig ergriffen hatte, erschien das wenig wahrscheinlich.
Währenddessen würde das Heer hier herumsitzen, nichts tun, die Hügel vor sich völlig ungeschützt, während Bethod alle Zeit der Welt bekam, um nach Norden zu marschieren, den Hundsmann und seine Freunde abzuschlachten und dann wieder seine jetzigen Stellungen einzunehmen. Und beim Angriff auf diese Stellungen würde später eine unvorstellbare Zahl von Männern fallen, wenn die Truppen endlich einen neuen Befehlshaber hätten. Es war eine völlig sinn- und zwecklose Verschwendung. Burrs Sarg war gerade erst außer Sicht, aber schon hätte man glauben können, der Mann habe nie gelebt. West fühlte, wie das Entsetzen seine Kehle hochkroch und ihn vor Wut und Hilflosigkeit zu ersticken drohte. »Aber der Hundsmann und seine Nordmänner, unsere Verbündeten ... sie zählen auf unsere Hilfe!«
»Das ist unglücklich«, bemerkte Kroy.
»Bedauerlich«, brummte Poulder, der dann scharf die Luft einzog. »Aber Sie müssen verstehen, Oberst West, dass uns in dieser Sache die Hände gebunden sind.«
Kroy nickte steif. »Gebunden. Jawohl. Und das ist alles.«
West starrte die beiden an, und eine schreckliche Welle der Machtlosigkeit ergoss sich über ihn. Dasselbe Gefühl wie damals, als Prinz Ladisla beschlossen hatte, den Fluss zu überqueren, und als Prinz Ladisla den Ausfall befahl. Dasselbe Gefühl, das er gehabt hatte, als er durch den Nebel geirrt war, Blut in den Augen, und gewusst hatte, dass der Tag verloren war. Dasselbe Gefühl, dass er nichts weiter als ein Beobachter war, und von dem er sich geschworen hatte, dass er es nie wieder spüren wollte. Seine eigene Schuld, vielleicht.
Ein Mann sollte sich nur das schwören, was er auch halten kann.
DER KÖNIGSMACHER
Draußen war ein heißer Tag, und das Sonnenlicht schien gleißend durch die großen Buntglasfenster und warf bunte Muster auf den Fliesenboden des Fürstenrunds. Der riesige Raum war normalerweise luftig und kühl, sogar im Sommer. Jetzt aber wirkte er stickig und unangenehm heiß. Jezal schob seinen verschwitzten Kragen vor und zurück und versuchte, einen kühlen Luftzug in seine Uniform zu lassen, ohne seine formvollendete Haltung aufzugeben.
Als er das letzte Mal auf diesem Fleck gestanden hatte, mit dem Rücken an der ausgebuchteten Wand, war die Gilde der Tuchhändler aufgelöst worden. Es war kaum zu glauben, dass das kaum mehr als ein Jahr her war, so viel war inzwischen passiert. Er hatte damals gedacht, dass sich unmöglich noch mehr Menschen ins Fürstenrund drängen und noch mehr Spannung und Aufregung herrschen konnten. Wie sehr er sich getäuscht hatte.
Die leicht gebogenen Bankreihen, die den Großteil des Saales ausfüllten, waren bis zum Bersten mit den mächtigsten Edelleuten der Union besetzt, und die Luft war durchdrungen von ihrem erwartungsvollen, angespannten, ängstlichen Wispern. Der gesamte Offene Rat war anwesend, eine pelzbesetzte Schulter drängte sich gegen die nächste, und jeder Mann trug die schimmernde Kette um die Schultern, die ihn in Gold
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