Koenigsmoerder
»Gar?«
»Ich meine Seine Majestät«, sagte Willer hastig. »Ich bitte um Entschuldigung.
Ich wollte nicht unhöflich klingen.«
Entschuldigung? Was zum... »Willer, wollt Ihr irgendetwas von mir?«
Die Wangen der fetten Sprotte röteten sich. »Nein. Nun, ja. Nichts Wich... das heißt, hört mir zu. Asher. Ich habe nachgedacht. Ich weiß, wir haben uns nie besonders gut verstanden.« Ein verlegenes Kichern. »Was ebenso meine Schuld ist wie Eure, nehme
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ich an. Ich würde gern von vorne anfangen. Euch zeigen, dass ich doch kein so schlechter Kerl bin. Tatsächlich werde ich Euch meinen guten Willen beweisen, ja? Darran lässt mich von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang schuften, aber ich würde Euch gern meine Dienste anbieten. Ich könnte als ein weiterer Gehilfe an Eurer Seite arbeiten. Wer weiß? Vielleicht werden wir am Ende sogar noch Freunde!«
Barl steh ihm bei. Diese Nacht wurde immer schlimmer. »Freunde? Ihr und ich?«
»Ja. Schließlich geraten viele Menschen einander zuerst in die Haare und stellen dann fest, dass sie sich in dem anderen geirrt haben. Warum sollte es uns nicht genauso ergehen?«
Warum nicht? Er wusste nicht, ob er lachen oder sich übergeben sollte. »Willer...«
»Oh, bitte, Asher. Denkt zumindest darüber nach. Zieht die Vorstellung in Erwägung, dass wir einen neuen Anfang machen könnten.«
»Klar. Ich denke darüber nach.« Sobald ich tot und begraben bin...
Willer strahlte. »Oh, das ist wunderbar. Vielen Dank. Ich verspreche, Ihr werdet es nicht bereuen.«
Er bereute es jetzt schon. »Schön. Großartig. Gute Nacht, Willer.«
Er wandte sich von der dankbar plappernden kleinen Schnecke ab und ging die Treppe des Turms hinauf. Nachdem er sich aus den Küchen Suppe und heißes Brot hatte bringen lassen, saß er halsstarrig in seinem gemütlichen Salon und kämpfte gegen den Schlaf, bis er Gars schleppende Schritte hinter seiner Tür hören konnte.
Erst dann kroch er selbst ins Bett.
Am nächsten Morgen tauchte Gar nur widerstrebend aus dem Schlaf empor. Der dünne Lichtstrahl zwischen den zugezogenen Vorhängen seines Schlafgemachs war wie eine Sichel, die seinen Kopf durchschnitt. Seine Brust und seine fest zugepressten Augen taten weh. Seine Haut. Seine Knochen. Sein ganzer Körper war erfüllt von einem schmirgelpapierscharfen, gnadenlosen Schmerz.
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Was nichts war im Vergleich zu der Qual des Wettermachens in der vergangenen Nacht.
Asher hat Recht, der verfluchte Kerl. Es muss wirklich aufhören ...
Zaghaft streckte er die Beine unter der Decke aus und öffnete die Augen. Der Raum kippte zur Seite und wirbelte um ihn herum wie ein Kreisel. Sein leerer Magen krampfte sich zusammen. Nur gut, dass er auf das Abendessen verzichtet hatte, oder er hätte sich jetzt die stinkenden Überreste aus dem Leib gewürgt...
Mit unendlicher Langsamkeit verstrich die heftige Übelkeit schließlich. In Schweiß gebadet lag er in seinen verhedderten Bettdecken und starrte an die Decke, bis er das Drängen seiner Blase nicht länger ignorieren konnte.
Sein Bild im Spiegel war grauenhaft genug, um Kindern Albträume einzujagen.
Ein lustloses Bad hob seine Stimmung nur geringfügig. Mehr als alles andere wünschte er sich, wieder ins Bett zu kriechen und die Welt für einen Tag außen vor zu lassen... für eine Woche... für immer ... Aber er hatte eine heilige Pflicht zu erfüllen ‐ ganz gleich, wie krank und wie alt er sich fühlte.
Ein Frühstück kam nicht infrage, daher kleidete er sich an und ging die Treppe hinunter. In der verlassenen Halle des Turms kreuzte das Pech in Gestalt Darrans seinen Weg. Sein Sekretär war in die Lektüre einer soeben überbrachten Nachricht vertieft und konnte ein erschrockenes Aufkeuchen nicht ganz unterdrücken.
»Ich weiß«, kam er einem Schwall bestürzter Bemerkungen zuvor. »Ich sehe aus wie der leibhaftige Tod und so weiter und so weiter. Betrachtet es als ausgesprochen und das Gespräch als beendet. Wo ist Asher?«
Darran räusperte sich. »Er hat den ganzen Tag über Verpflichtungen, Herr.
Wünscht Ihr, dass ich...«
»Nein. Nein. Zweifellos werde ich ihm irgendwann begegnen.«
»Und was ist mit Euch, Herr? Wo werdet Ihr sein, falls man Euch braucht?«
»In der Familienkrypta. Ich werde heute ihre Bildnisse anferti 127
gen, Darran. Ich werde sie in Marmor unsterblich machen. Vorausgesetzt natürlich, dass die Schablonen geliefert worden sind?«
Ein Widerschein seines eigenen Schmerzes schimmerte in Darrans Augen
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