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Köpfe

Köpfe

Titel: Köpfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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einem Gefühl gepackt, das mehr als Unbehagen war, und das nicht wegen meines bevorstehenden Debüts in der höheren MB-Politik. »Glauben Sie, wir müssen mit einer dramatischen Zuspitzung der Lage rechnen?«
    Thomas nickte. »Was immer man gegen Sie sagen mag, Micko, jedenfalls haben Sie eine schnelle Auffassungsgabe. Genau so ist es. Und das zu einer Zeit, in der möglicherweise alle Regeln versagen und unsere Versäumnisse der Vergangenheit auf uns zurückfallen werden. Es könnte durchaus so kommen. Würden Sie mich bitte kurz unterrichten?«
    Ich zuckte die Achseln. »Sir, ich…«
    »Breiten Sie die Flügel aus, Junge. Sie wissen einiges, sonst hätten Sie die letzte Bemerkung nicht gemacht. Welche dramatische Zuspitzung steht dem MB jetzt bevor?«
    »Ich kann es wirklich nicht sagen, Sir. Ich habe keine Ahnung, auf welche Schwachstelle Sie im besonderen anspielen, aber…«
    »Weiter!« Thomas lächelte wie ein genialer Tiger.
    »Wir sind über die Mondverfassung hinausgewachsen. Zwei Millionen Menschen in vierundfünfzig MBs, das ist eine zehnmal so große Mondbevölkerung wie damals, als die Verfassung geschrieben wurde. Und eigentlich ist sie nie von einem einzigen Wesen geschrieben worden. Sie wurde von einem Komitee zusammengeschustert, mit der Absicht, keine individuelle MB-Charta zu strapazieren oder aufzuheben. Ich glaube, Sie meinen, die Task-Felders sind gar nicht abgeneigt, eine Verfassungskrise heraufzubeschwören.«
    »Ja?«
    »Wenn sie etwas Derartiges planen, dann ist jetzt der richtige Zeitpunkt, um den Plan in die Tat umzusetzen. Ich habe während der letzten drei Jahre die Entwicklung des Tripels beobachtet. Die lunaren MBs sind in zunehmendem Maße konservativ geworden, Sir. Verglichen mit dem Mars sind wir…« Ich war schrecklich nervös; ich winkte mit den Händen ab und lächelte besänftigend, in der Hoffnung, nicht zu weit zu gehen und nicht beleidigend zu wirken.
    »Ja?«
    »Nun, ein wenig so, wie Sie mich beschuldigen zu sein, Sir. Selbstzufrieden, die Ereignislosigkeit ausnutzend. Doch das Tripel macht zur Zeit eine gewaltige Erschütterung durch, die Wirtschaft der Erde leidet unter der sich im vierzigjährigen Zyklus wiederholenden Flaute, und die lunaren MBs sind empfindlich. Wenn wir nicht mehr kooperieren, könnte der Mond in eine finanzielle Krise geraten, schlimmer als die Spaltung. Deshalb sind alle sehr vorsichtig, sehr… konservativ. Das Ärmelhochkrempel- und Hauruck-Gefühl ist einer Nur-nicht-dran-Rühren-Einstellung gewichen.«
    »Gut«, lobte Thomas.
    »Ich habe ja nicht den Kopf in den Sand gesteckt, Sir«, sagte ich mit gequälter Miene.
    »Freut mich zu hören. Und wenn die Task-Felders nun eine entscheidende Anzahl von MBs davon überzeugen, daß wir das Schiff auf eine Weise zum Schwanken bringen, durch die das Ansehen des Mondes innerhalb des Tripels Schaden nehmen könnte?«
    »Das wäre schlecht. Aber warum sollten sie das tun?« fragte ich, noch immer verwirrt.
    Rho ergänzte meine Frage. »Tom, wie können ein paar hundert Köpfe so etwas bewirken? Was haben die Task-Felders gegen uns?«
    »Überhaupt nichts, meine liebe Tochter«, antwortete Thomas. Ältere MBler sprachen jüngere Familienmitglieder häufig so an, als wären sie ihre leiblichen Kinder. »Das macht mir die meisten Sorgen.«

RHO KEHRTE ZUR EISGRUBE ZURÜCK, um die Fertigstellung der Kammer für die Köpfe zu beaufsichtigen; ich blieb, um mich auf die Ratsversammlung vorzubereiten. Thomas brachte mich im Sandoval-Gästequartier unter, das ausschließlich für die Familie reserviert war; eine schlichte, aber behagliche Unterkunft. Ich war bedrückt und wütend auf mich selbst, weil ich so verletzlich war.
    Es widerstrebte mir zutiefst, Thomas Sandoval-Rice zu enttäuschen.
    Und ich fand nicht die geringste Befriedigung in dem Gedanken, daß er mir vielleicht deshalb einen Stachel versetzt hatte, um mein Blut in Wallung zu bringen, um mich auf Trab zu bringen.
    Ich wollte unter allen Umständen vermeiden, daß er mir noch einmal einen Stachel versetzte.

THOMAS WECKTE MICH AUS EINEM einstündigen unruhigen Schlaf auf, und das nach zwölf Stunden geistiger Arbeit. Mein Kopf fühlte sich wie eine eingebeulte Luftdose an. »Stellen Sie die lunaren Nachrichten im allgemeinen Netz an«, sagte er. »Spulen Sie die letzten fünf Minuten zurück.«
    Ich tat, wie mir geheißen, und blickte auf das LitVid-Bild.
     
    DIE VIERTELSTÜNDLICHEN NACHRICHTEN. ÜBERBLICK: DIE ERDE STELLT DIE RECHTSPRECHUNG DES

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