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Körper-Haft (German Edition)

Körper-Haft (German Edition)

Titel: Körper-Haft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Romey
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war, die Reise auch umgekehrt starten?
    Neben diesen Fragen wurde aber auch etwas anderes ebenfalls leichter. Und dies war rein körperlicher Natur. Doktor Gregor hatte, seinem eigenen ethischen Kodex folgend, ein paar Hafterleichterungen durchgesetzt, von denen ich glaubte, dass sie nicht von ganz oben abgesegnet worden waren.
    Dazu gehörte unter anderem auch, dass es keine Elektroschocks mehr gab, wenn man dem Zwangsunterricht der BSS nicht folgte. Stattdessen blinkte einfach nur der Bildschirm in leuchtenden Farben: »Bitte geben Sie die Antwort ein!«
    Ansonsten hatte ich mit Brötchen einen Pfleger, der wirklich nach mir sah und mir so manchen Wunsch von den Augen ablas. Er berichtete mir in stillen Momenten auch über den Fortschritt seines Entzuges und dass er mir sehr dankbar wäre, dass ich all das für ihn angestoßen hatte. Womit er natürlich deutlich zu viel in die vergangenen Ereignisse hineininterpretiert hatte. Schließlich hatte ich nach unserem Zusammenprall nur den Notruf aktiviert. Die Ampulle mit dem Beruhigungsmittel war ihm ja ganz ohne mein Zutun zufällig aus dem Pflegerkittel gerollt! Und dass Doktor Gregor ein guter Mensch war, lag ausschließlich an dessen eigener Einstellung. Dennoch hatte mich Brötchen auf das Podest eines Heiligen gestellt. Was mir wirklich bis ins Mark hinein peinlich war, andererseits war ich verdammt froh, ihn als Freund gewonnen zu haben. Jemand außer mir, der wusste, dass ich unschuldig war. Jemand, der mir Ruhe und etwas mehr Frieden vor Mosquito verschaffte, auch wenn dieser seine Spielchen in Brötchens Abwesenheit natürlich auch weiterhin spielte. Dennoch gewann ich dadurch eine gewisse Sicherheit und die Möglichkeit, mich mit meinen außerkörperlichen Reisen und Reisezielen zu beschäftigen.
    Bruder Martin war weiterhin auf seinem Missionierungstrip und schaltete einmal pro Woche alle Kanäle auf das Christentum um. Wobei Nr. 1 , also Herr Neuner, und Nr. 2 , Herr Deckart, dieses Programm bereits von sich aus gewählt hatten. Genau genommen, konnte Bruder Martin eigentlich nach dem Erfolg bei Herrn Bhaghavatula nur noch Nr. 3 , sprich Herrn Öger, vom Islam und mich vom Buddhismus-Programm bekehren. Solange ich jedoch nach seinem Reset wieder auf mein Wunschprogramm umsteigen konnte, störte mich das nicht allzu sehr …
    Das einzige was mir körperlich immer noch echte Schmerzen bereitete, war mein Rücken! Trotz der erweiterten täglichen Gymnastikeinheiten ließ der Schmerz nicht nach und manifestierte sich zu einem dauerhaften Begleiter meines körperlichen Daseins. Aber das war eine Welt, in der ich immer weniger verweilte.
    Mein nächster Versuch bestand darin, mein Mobil-Ich nicht über den Gang, sondern direkt und ohne Umwege in die Notfall-Apotheke des Gefängnisses zu schicken. Nicht, dass ich dort irgendetwas Besonderes gesucht hätte. Nein, ich wollte einfach nur sehen, ob es funktionierte! Doch auch hier bremste mein Intellekt meinen Elan. Woran musste ich denken, wenn ich dorthin gelangen wollte? Und wie konnte ich verhindern, mich direkt in eine andere, zufällige anwesende Person hineinzubeamen?
    Doch zu diesem Versuch kam es vorläufig nicht, denn etwas anderes änderte das Zusammenleben in unserer Zelle.

Frühlingserwachen
    Die Jahreszeiten veranstalteten ihren jährlichen Staffellauf und gaben ihr Hölzchen artig weiter. Nur der Winter hielt es verbissen und unerbittlich fest. Nach einem monatelangen, eisigen grau-in-grau musste er sich dem Frühling aber dann doch noch geschlagen geben. Etwas über zwei Jahre waren nun seit meiner Inhaftierung vergangen. Zwanzig Prozent meiner abzusitzenden, besser gesagt, abzuliegenden Zeit war vorüber.
    Rund um die Mauern des Gefängnisses fingen die großen Platanen an auszutreiben. Die frische Frühlingsluft drang neugierig zum geöffneten Fenster herein und blies den abgestandenen Heizungsmief des Winters hinaus. Und ich wünschte mir nichts sehnlicher, als mit Nr. 1 tauschen zu können, dessen Bett direkt am Fenster lag.
    Schon bald aber sollte ich froh darüber sein, dass nicht alle Wünsche in Erfüllung gingen. Es war nicht immer von Vorteil, in der ersten Reihe zu sitzen.
    Die großen, horizontal schwenkbaren Fensterflügel waren so geöffnet, dass sie wie ein Tablett in der Waage standen. Brötchen und Mosquito hatten sie nach dem Ausmisten offen gelassen. Die frische Luft durch meine Lungen gleiten zu lassen, war ein lange entbehrter Genuss. So wie eine heiße Dusche den Körper reinigt

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