Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Körper-Haft (German Edition)

Körper-Haft (German Edition)

Titel: Körper-Haft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Romey
Vom Netzwerk:
auf die Unterschenkel von Herrn Neuner.
    »Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus«, heißt es im Volksmund, »was aber, wenn das Gegenüber der Krähe nicht der gleichen Spezies angehört und noch dazu regungslos wie ein Toter daliegt?«
    Panisch versuchte ich das Gymnastik-Programm von John Mc Lays Wunderbett zu aktivieren. Was mit den Fliegen geklappt hatte, ließ sich vielleicht auch auf die Vögel mit ihren langen, schwarzen Schnäbeln anwenden. Bewegung schreckte ab!
    Wenn es da nur Bewegung gegeben hätte. Stattdessen sagte die Frauenstimme meines Holo-Flat-Pads : »Das Aktivieren des Gymnastikprogramms ist derzeit nicht erlaubt. Bitte folgen Sie dem Schulungsprogramm des BSS .«
    Verdammt! Meine Augen rollten nach links und ich sah, wie die Krähe von der Stimme kurz aufgeschreckt war, sich aber mit einem behänden Sprung auf dem Bauch von Herrn Neuner befördert hatte und ihm mit schräg geneigtem Kopf ins Gesicht äugte. Kurz darauf schlug sein Vitalometer Alarm, da sein Puls wohl sprunghaft angestiegen war. Kein Wunder, ich selbst lag auf dem Rücken und pumpte wie ein Maikäfer.
    Beim Einsetzen des Alarmes flatterte die Krähe nochmals erschreckt auf. Ich widmete meine Aufmerksamkeit schnell wieder meinem Holo-Flat-Pad, um auf Holografie-Modus umzustellen. Ich hatte die Hoffnung, das plastische Bild und die Bewegung würde die Krähe aufschrecken.
    Aber das Erziehungsprogramm beschäftigte sich gerade nur mit einfacher Mathematik und ließ eine simple Rechenaufgabe über mir schweben. Das war alles andere als beeindruckend!
    » Nr. 5 , bitte geben Sie die Lösung ein!« Das Programm war noch nicht auf die Anrede mit unseren Namen umgestellt worden. Doch diese fehlende Förmlichkeitsfloskel konnte meine Aufmerksamkeit nicht von der Szenerie auf Herrn Neuners Bett ablenken.
    Die Krähe sprang gerade in drei behänden Sätzen von seinem Bauch auf seine Brust unterhalb seines Kinns. Ich konnte sein rechtes Auge sehen, das vor Angst beinahe aus der Höhle trat. Der Vogel legte den Kopf schief und streckte sich, um ihm ins Auge zu sehen. Dann zog die Krähe ihren Kopf zurück, baute Spannung auf und legte ihn in den Nacken – gerade so als würde der Bolzen einer Armbrust gespannt.
    Die Vitalometer der anderen stimmten mit ein in den Kanon der Angst. Ich kniff die Augen zusammen. Vor meinem geistigen Auge sah ich einen glänzenden, schwarzen Schnabel auf mich zurasen. Ein stummer Schrei gellte durch meinen Kopf …
    Dann krachte die Tür auf und Brötchen kam hereingerannt, gefolgt von Mosquito, der interessiert den Dreck unter seinen Fingernägeln begutachtete.
    Brötchen war sofort bei mir am Bett und fragte: »Alles ok, Herr Schirmer?” Ich rollte mit meinen Augen immer wieder nach links, bis er meinem Blick folgte. Die beiden Krähen saßen gerade noch auf der Außenseite des Fenstersimses. Dann sprangen sie in die Tiefe und breiteten ihre Schwingen aus.
    Irritiert schaute er mich an. »Haben Ihnen die Vögel Angst gemacht?«
    Am Bett von Herrn Neuner stellte Mosquito gerade dessen Vitalalarm ab: »Wenn Du mich fragst, was hier los ist, dann würde ich sagen, wenn die Krähe das noch mal macht, dann schaut Nr. 1 sie nie wieder an.«
    »Was soll das schon wieder heißen?«, schnauzte ihn Brötchen an. Er war bereits auf dem Weg zu Herrn Neuners Bett, als er das blutbefleckte Laken sah.
    »Mein Gott, schnell ins Notfallzimmer und ruf Doktor Gregor zur Hilfe!«
    »Schoon dabei«, sagte Mosquito gelangweilt und klickte die Anschlüsse des Bettes ab. Schnell schoben sie zusammen das Bett zur Tür hinaus, die hinter ihnen ins Schloss fiel. Mein Blick ging zum Fenster hinüber …
    … es war immer noch geöffnet. Mir wurde schlecht. Magensäure kroch in meiner Speiseröhre hoch und ich dachte: »Bitte nicht!« Ich dachte an den armen Herrn Neuner und welche Qualen er wohl durchleiden musste, wenn er nicht sogar schon tot war … und ich dachte an die offenen Fenster und die Krähen, die draußen herumflogen. Oder vielleicht schon wieder auf dem Fenstersims saßen, um den Nachtisch auszuwählen.
    Ich öffnete die Augen und ließ sie nach links rollen. Da war nichts! Aber wie lange konnte ich mich in Sicherheit wiegen? »Verdammt, der Notrufschalter! « Hoffentlich war der nicht auch deaktiviert, wie der Vitalometer! «
    Ich sah aus dem Augenwinkel, wie draußen am Fenster ein Schemen vorbeizog. Im ersten Moment dachte ich es wäre die Einbildung meiner angespannten Nerven, doch dann sah ich sie nochmals

Weitere Kostenlose Bücher