Körper-Haft (German Edition)
es sagen soll … aber … äh … vielen Dank! Vielen Dank, dass Sie mir geholfen haben … mit dem Notruf und so. Doktor Gregor hat mit mir gesprochen und gesagt, er würde sich um mich kümmern, wegen … wegen der Beruhigungsmittel. Er sagt, er wird mich nicht melden, solange ich mich von ihm behandeln lasse und keinen Blödsinn anstelle. Hat er es von Ihnen gewusst? Ich meine, Sie wissen schon … sind Sie … sind Sie auch durch ihn durch?«
Ich musste wohl sehr verwirrt dreingeschaut haben, denn er versicherte mir: »Keine Sorge, Herr Schirmer, ich verrate nichts! Außerdem würde man mir vermutlich mit meinem kleinen Problem sowieso nicht glauben!«
Er drehte sich in Richtung Tür, um zu gehen, wandte sich aber nochmals zu mir um. Seine Hand zuckte, als ob sie nicht wüsste, was als Nächstes passieren sollte. Dann fasste er meinen Unterarm so vorsichtig an, als wäre es ein elektrisch geladener Weidezaun. Dann fasste er nicht nur Zuversicht, sondern auch meinen Arm und drückte ihn herzlich.
»Danke, ich bin froh, dass Sie hier sind! Sie haben mich gerettet!« Unsicher lächelte er mich an. »Sie haben etwas gut bei mir!« Dann drehte er sich um, ging umständlich aus der Tür und schloss sie vorsichtig.
Jetzt war ich völlig verwirrt. Hatte ich gerade einen Freund gewonnen? Und was sollte ich von all dem halten, was sich die letzten Stunden über ereignet hatte?
Kapitulation
So unglaublich das alles schien … war es nicht an der Zeit, es als Realität anzuerkennen? Entweder hatte ich die nächste Stufe des Wahnsinnes geradezu mühelos erklommen, oder es gab tatsächlich jetzt den ultimativen Beweis für meine virtuellen Spaziergänge. Aber die Beweisführung auf ein paar Worte eines Drogenabhängigen zu stützen, schien mir doch auch eine sehr wackelige Angelegenheit zu sein.
Vielleicht hatte er ja etwas ganz anderes gemeint oder die Beruhigungsmittel hatten ihn auf einen Trip mitgenommen, von dem ich nichts wissen konnte …
Mein rationales Denken versuchte immer noch, eine andere Lösung zu finden: »Klar, Meditieren funktioniert und ist auch wissenschaftlich bestätigt. Aber aus seinem Körper herausgehen und in der Welt herumspazieren, ist doch eine völlig andere Sache! Eigentlich völlig gaga! Hinzu kommt noch diese eigenartige Zwischenwelt, die so schön ist, dass sie eigentlich gar nicht wahr sein kann. Und dann noch dieser kauzige Alte, mein persönlicher Gott, der aus irgendeiner Hippie- Gemeinschaft zu kommen schien. Ein Ökoaktivist in Latzhosen als Schöpfer der Welt! Pah! Aber wenn ich ihn nicht hätte, wen hätte ich dann?«
Me, myself and I! Und selbst wenn alles nur meiner Phantasie entsprungen war, so war es immer noch besser, in dieser von mir erschaffenen Welt zu leben, als im Käfig meines Köpers dahinzuvegetieren … Klar, ich war nun schon ein paar Mal an diesem Punkt angekommen, aber dieses Mal hatte ich die Kröte geschluckt! Mein Verstand hatte kapituliert, aufgegeben sich gegen das vermeintlich Geschehene aufzulehnen. Also bin ich jetzt entweder verrückt, oder alles was passiert ist, ist tatsächlich irgendwie real!« Ich entschloss mich für die zweite Variante und eröffnete mir damit eine völlig neue Welt.
Tourist
Ich hatte mich also dazu entschlossen, die Ereignisse, oder sollte ich sie besser Erlebnisse oder gar Träume nennen, als wahr zu akzeptieren. Also versuchte ich soviel wie möglich aus dem Erlebtem zu lernen und für meine neue Welt abzuleiten. Ich versuchte die Dinge so zu sehen, als wäre ich plötzlich am anderen Ende der Welt, nein besser, auf einem anderen Planeten … Einem Planeten mit völlig anderer Kultur und völlig anderen physikalischen Gesetzen. Wenn es überhaupt solche Grenzen und Gesetze gab. Und das versuchte ich herauszubekommen. Ich war ein Tourist auf Entdeckungstour in meiner eigenen Welt!
Ich versuchte alles mit anderen Augen zu sehen, so wie man das erste Mal vor einem Khmer-Tempel steht und versucht, alle Details in sich aufzunehmen. Nur dass ich hier nicht mit einem steinernen Gebäude zu tun hatte, sondern mit etwas sehr Organischem und Wandelungsfähigem – mit dem Leben! Allerdings mit einem Leben in einer anderen Form, als ich es bisher gewöhnt war und wie ich es gelernt hatte. Es war vielleicht eher wie das Laufen lernen. Nur bei deutlich geringer Schwerkraft!
Mein ursprüngliches Ziel, einen Fluchtpunkt, ein Kehrwasser, aus der ungeliebten Realität zu finden, hatte sich völlig verselbstständigt. Von jetzt an war
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