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Körper-Haft (German Edition)

Körper-Haft (German Edition)

Titel: Körper-Haft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Romey
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vorbeiziehen, dieses Mal etwas näher. Und dann kam eine der Krähen mit gespreizten Federn im Landeanflug direkt auf unser Fenster zu. Völlig verzweifelt versuchte ich das Notrufsymbol anzublinzeln, als die Tür aufgerissen wurde. Brötchen kam hereingestürzt und rannte direkt zum Fenster. Schwer atmend warf er einen Blick nach draußen, schloss dann die beiden Flügel und prüfte gewissenhaft die Arretierung. Anschließend kam er an mein Bett und drückte mir den Unterarm: »Tut mir wirklich leid, Herr Schirmer, ich hatte Sie in der Aufregung ganz vergessen. Bitte seien Sie mir nicht böse, das war wirklich keine Absicht. Ich muss leider gleich wieder los, aber alles wird gut …!«
    Daraufhin verließ er das Zimmer und die Tür fiel ins Schloss. Ich atmete auf. Aber bereits beim Ausatmen beschlich mich die Paranoia eines Menschen, der nicht in der Lage ist, sein eigenes Umfeld zu überprüfen.
    Was war, wenn sich eine der Krähen unter einem der Betten versteckt hätte? Das wäre so, als hätte man einen Fettsüchtigen in der Speisekammer eingesperrt.
    Die Tür flog abermals auf und Brötchen stürzte erneut herein. Sein Blick tastete prüfend über alle Betten. Dann bückte er sich und sah unter alle verbliebenen Betten. Unter meinem Bett sah er besonders sorgfältig nach, dann tauchte er schwer atmend, aber sichtlich erleichtert wieder neben mir auf.
    Er zwinkerte mir zu und sagte dann laut in den Raum hinein: »Es ist alles gut, es sind definitiv keine Krähen mehr in diesem Raum. Herr Neuner geht es den Umständen entsprechend gut. Wir bedauern diesen Unfall sehr und haben Maßnahmen eingeleitet, um so etwas in Zukunft zu vermeiden.«
    »Woher kann er wissen, dass ich mir Sorgen wegen irgendwelchen Krähen im Zimmer gemacht habe?«, dachte ich.
    Er ging an die Vitalometer und schaltete sie wieder auf »on«. »Ihr Notruf steht Ihnen ab sofort auch wieder zur Verfügung. Bitte scheuen Sie sich nicht, Gebrauch davon zu machen.«
    Dicke Schweißperlen standen ihm im Gesicht. Wie es aussah, war er solche Ansprachen nicht gewöhnt. Er kam nochmals an meinem Bett vorbei und drückte mir herzlich den Arm.
    »Ohne Ihren Notruf, hätte das Ganze ganz schön ins …«, er bemerkte gerade noch rechtzeitig wo ihn sein Satz hinführen würde, »…äh, hätte das Ganze deutlich schlimmer ausgehen können. Sie werden so langsam zum Schutzengel der Abteilung!«

Unkaputtbar ?
    Dieser Vorfall machte mir auf drastische Weise klar, dass mein Körper, wann immer ich meine neu gewonnene Reisefreiheit nutzte, völlig schutzlos in seinem Bett auf die Heimkehr meines Mobil-Ich wartete. Selbst Brötchen konnte mich nicht rund um die Uhr schützen, es gab immer ein Restrisiko …
    Was wäre zum Beispiel, wenn es hier Ratten gäbe? Ratten sind die heimlichen Herrscher einer jeden Großstadt. Zu Millionen bevölkern sie die Kanalisation. Sie klettern und tauchen durch die Adern der Stadt, ständig auf der Suche nach Nahrung. Was also, wenn es auch nur eine Ratte schaffte, durch die Kanalisation oder durch die Lüftung in unsere Zelle zu gelangen? Wir wären alle ihrem Hunger und ihren scharfen Nagezähnen hilflos ausgeliefert … Mit Schaudern dachte ich an George Orwell`s bekanntestes Buch 1984 in dem zu Folterzwecken der Kopf der Hauptfigur in einen Käfig mit zwei hungrigen Ratten gesteckt werden soll.
    Ich wollte mir die Situation gar nicht weiter in diesen düsteren Farben ausmalen, aber ich musste einkalkulieren, dass ich auch weiterhin verletzlich war. Körperlich, seelisch und geistig. Ich war die Raupe in ihrem Kokon, die zwar gelernt hatte, in ihren Träumen ein Schmetterling zu sein, andererseits aber nur ein Stück Fleisch war, an dem sich jederzeit die Jäger und Aasgeier dieser Welt laben konnten.
    Wie es wohl Herrn Neuer ging? Ich beschloss, mich zuerst auf dem saftigen, grünen Gras meiner Zwischenebene auszuruhen, um ihn danach zu besuchen.
    Ich hatte immer noch keine andere Methode gefunden, auf die Zwischenebene zu gelangen, als mich auf meinen schmerzenden Rücken und die Erinnerung an Tanjas zart massierende Hände zu konzentrieren.
    Es dauerte nicht lange und ich fand mich in der sanft hügeligen Graslandschaft meiner Zwischenebene wieder. Die Insekten surrten um mich herum, die Sonne, die erstaunlicherweise zu jeder Tages- und Nachtzeit schien, wärmte meine Haut. Die Last des Tages fiel von mir ab, wie der tauende Eispanzer eines Baumes. Das Gewicht, das meine Brust eingeengt hatte, wurde immer leichter und

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