Körper-Haft (German Edition)
gangbare Lösung für unsere Zeugenbefragung gefunden hatte.
Doktor Gregor experimentierte mit einer Buchstabiertafel herum, wie sie auch bei normalen Wachkomapatienten benutzt wird. Dabei wird dem Patienten eine Tafel mit dem gesamten Alphabet gezeigt. Der Arzt oder Pfleger fährt jeden einzelnen Buchstaben ab, bis der Patient blinzelt. Dann geht die Prozedur von vorne los, bis sich Buchstabe für Buchstabe ein Wort daraus formt. Und irgendwann auch ein ganzer Satz. Aber das Verfahren ist langwierig und überaus anstrengend. Und das gilt durchaus für beide Parteien.
Doktor Gregor hatte irgendwann entnervt aufgegeben. Daniel hingegen zeigte sich deutlich ausdauernder. Er verbrachte lange bei mir am Bett und kitzelte den einen oder anderen Satz aus mir heraus. Mich nervte die ganze Prozedur furchtbar und als er mich irgendwann einmal fragte, was ich möchte, a-n-t-w-o-r-t-e-t-e ich in diesem furchtbaren Blinzel-Stakkato: » QUERTZ - Tastatur für Holo-Flat-P ad mit Eyetracking «. Beim ersten Wort schien er sich regelrecht zu sträuben, da er es nicht zuordnen konnte und das alles für ihn keinen Sinn ergab.
Er runzelte die Stirn und nahm den Zettel mit den von ihm krakelig notierten Buchstaben mit. »Vielleicht kann Doktor Gregor damit etwas anfangen …«
System Adler
Offensichtlich wusste Doktor Gregor damit etwas anzufangen. Bereits einen Tag später brachte er einen ehemaligen Studienkollegen mit, der einen Teil unserer Probleme lösen sollte. Er schien deutlich älter zu sein als Doktor Gregor und passte irgendwie nicht ganz ins Bild eines Arztes. Aber wie hat ein typischer Arzt schon auszusehen? Ich wollte mich nicht ganz dem stereotypen Schubladendenken hingeben. Dennoch, dachte ich bei mir, würde die schwarze Nerd-Brille eher zu einem Werbefuzzi oder einem Computerlemuren passen, der mit dunklen Rändern unter den Augen und das blaue Licht des Monitors im Gesicht im abgedunkelten Raum auf die Pizzalieferung des Italo-Inders wartete.
Er hatte bereits schütteres, braunes Haar, das er mühevoll über die kahlen Stellen seines Kopfes geschubst hatte. Da es dort jedoch nichts gab, was ihnen Halt geben konnte, rutschten sie immer wieder wirr in alle Richtungen davon. Die Absicht, die kahlen Stellen zu verstecken, wurde damit nur noch offensichtlicher. Ein typischer Fall von: »Weniger ist manchmal mehr!« Kürzere Haare hätten das »Problem« sicherlich nicht so augenfällig gemacht. Auf seine Art jedoch gab er ein wenig das Bild des wirren Professors ab.
Aber wie auch immer er aussah, er hatte etwas Interessantes im Gepäck und plauderte gleich drauf los. »Meine Herren, Doktor Gregor hat mich gestern angerufen und mir eine interessante Idee von Ihnen präsentiert, wie wir mit Ihnen besser kommunizieren können. Genau genommen war es die Idee von Herrn Schirmer, der, wenn ich es richtig interpretiere, Ihre Holo-Flat-Pads in eine Buchstabiertafel verwandeln möchte. Damit können wir beziehungsweise die Polizei fragen stellen, die Sie dann in aller Ruhe beantworten. Der Vorteil gegenüber einem normalen, physischen Buchstabiertablett liegt in der Geschwindigkeit der Eingabe. Während Sie vorher jemanden gebraucht haben, der ihnen Buchstabe für Buchstabe das Wort zeigen musste, können Sie jetzt wie gewohnt via Eyetracking den Buchstaben anvisieren, anklicken, beziehungsweise anblinzeln, und fertig. Bei Fehlern gibt es eine Backspace -Taste mit der sie löschen können. Das Ganze hat auch eine zuschaltbare Rechtschreibfunktion. Sie können aber auch zwischen die Buchstaben springen, löschen und andere Buchstaben oder Wörter einfügen.«
»Super, endlich jemand der mich versteht! Und wann geht`s los?«, dachte ich erwartungsvoll.
Gerade hatte ich zu Ende gedacht, als er meinte: »Ich bin mit der Programmiersprache der Holo-Flat-Pads vertraut und gehe davon aus, dass Sie spätestens Ende der Woche schon damit arbeiten können …«
Mich beschäftigte noch eine weitere Frage brennend: »Er ist ein Studienkollege von Doktor Gregor, kann aber programmieren. Wie passt das denn zusammen?«
Auch diese Frage schien er geahnt zu haben, denn er setzte fort: »Ursprünglich habe ich Informatik studiert und fand sehr schnell gefallen an neuronalen Netzen . Mein Ziel war es, diese neuronalen Netze zu verstehen und für die Programmierung nutzbar zu machen. Ich merkte jedoch, dass ich als Laie nicht besonders schnell weiterkomme. Das war der Grund für das Medizinstudium und meine Fortbildung zum Neurochirurgen.
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