Körper-Haft (German Edition)
Dann können wir die Patienten hier befragen.«
Doktor Gregor räusperte sich und sagte: »Tut mir leid meine Herren, aber sie werden von meinen Patienten keine Antworten erhalten!«
»Was soll das heißen?”, brauste der Kommissar auf. »Wollen Sie die Ermittlungen behindern oder irgendetwas verheimlichen?!«
Er sah Doktor Gregor scharf an, der müde lächelte. »Sie haben mich falsch verstanden. Diese Patienten können Ihnen nichts sagen!«
»Also bisher konnte noch jeder, der einen Mund hat und bei Bewusstsein ist, etwas zu mir sagen!«, ereiferte er sich weiter.
Doktor Gregor sah ihn fragend mit schief gelegtem Kopf von der Seite an: »Dann scheint das der erste Tag in Ihrer Karriere zu sein, an dem Ihre Zeugen nicht im klassischen Sinn aussagen können!«
»Das gibt’s doch nicht!«
»Doch, das gibt’s, Herr Kommissar, und wenn sie mich endlich ausreden lassen, erfahren sie auch noch einen plausiblen Grund dafür. Diese Patienten sind die Teilnehmer des BSS-Programms, das vor über fünf Jahren gestartet wurde. Sie erinnern sich vielleicht?«
Der Kommissar grinste blöde. »Etwa das mit dieszem szpanischen Professzor , der mit so komischen Spritzen herumgefuhrwerkt hat, die wie rote und grüne Götterspeise ausgesehen haben?«
Doktor Gregor verdrehte die Augen und meinte: »Ja, genau, der Götterspeisen-Professor aus Spanien!«
»Ha! Wußt’ ich’s doch! Und was soll das jetzt mit der Sprachlosigkeit der Teilnehmer zu tun haben?«
»Sehen Sie, das ist der Punkt, den ich Ihnen gerne erklären würde. Diese Menschen wurde in eine Art Wachkoma versetzt, in dem Sie sich weder bewegen noch sprechen können. Sie haben, wenn Sie so wollen, ein medikamentöses Schweigegelübde abgelegt.« Doktor Gregor schien sich wegen seines letzten Satzes selbst auf die Zunge zu beißen. Das war vermutlich zu kompliziert, denn wie es aussah, machten eine schwarze Lederjacke und ein stark fokussierter Blick mit Zornesfalte auf der Stirn noch lange keinen guten Kommissar.
Er wiederholte, was ihm vermutlich wie eine Murmel durch seine Gehirnwindungen rollte: »Die können sich weder bewegen, noch sprechen.« Seine Begleiter von der Spurensicherung hoben das intellektuelle Gewicht dieser Unterhaltung von einem Bein aufs andere und fingen an zu seufzen.
»Los, lasst uns endlich die Leiche auf die Bahre legen«, meinte einer von ihnen dann.
Als man den Kreidestrich um seine Leiche gezogen hatte, war es noch niemandem aufgefallen, aber als man Mosquito auf eine Bahre legte und die Kreidelinie sichtbar wurde, sagte der Polizeifotograf: »He, Leute, das gibt’s nicht, das sieht ja aus wie …«
»… ein aufgespannter Regenschirm«, sagte der Kommissar trocken. Dann fixierte er einen Gefangenen nach dem anderen mit einem durchdringenden und nichts Gutes verheißenden Blick und fragte: »Sagen sie mal, Herr Doktor, bei dieser BSS-Sache gab es doch diesen …, äh, wie hieß er doch noch …, diesen Regenschirmmörder! «
Doktor Gregor schnaubte wutentbrannt. »Also meine Herren, jetzt ist es aber wirklich genug. Ich habe Ihnen gerade schon erklärt, dass sich diese Menschen nicht bewegen können. Außerdem haben sie die letzten Stunden schon genug unter Stress gestanden. Wenn Sie mit ihrer Spurensicherung fertig sind, möchte ich endlich meine Patienten untersuchen und ihnen etwas zu Beruhigung geben. Ich werde mich danach gerne einer weiteren Befragung unterziehen, aber verlassen Sie jetzt bitte das Zimmer.«
Er schob den widerwillig brummenden Kommissar zur Tür hinaus, wo ihn schon seine Mannschaft mit ihrer Indiziensammlung erwartete.
Doktor Gregor fing gerade an uns zu untersuchen, als die Tür noch einmal aufgerissen wurde und der Kopf des Kommissars mechanisch-ruckartig ins Zimmer schnellte, wie der Bewohner einer Kuckucksuhr, um die volle Stunde zu verkünden.
»Ein Mord in einem Zimmer mit fünf Anwesenden und keiner will etwas gesehen haben, das gibt’s doch einfach nicht!«
Doktor Gregors Geduldsfaden schien endgültig überdehnt zu sein: und meinte mit einer bittersüßen Stimme: »Lieber Herr Kommissar, erstens wissen wir gar nicht, ob es sich um einen Mord handelt. Und zweitens hat niemand gesagt, dass keiner der Patienten etwas gesehen hat. Das Problem, das sich für uns stellt, ist die Frage, wie wir die Patienten befragen können. Ich verspreche Ihnen, dass ich mir einige Gedanken machen werde, wie wir das technisch lösen können. Doch bis dahin lassen Sie mich in Ruhe nach meinen Patienten schauen.
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