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Körper-Haft (German Edition)

Körper-Haft (German Edition)

Titel: Körper-Haft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Romey
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ungefähr zehn Jahre alt, als Sunny mit seinen Eltern Ronald und Nancy in das Haus links neben uns einzog. Noch bevor die Möbelpacker das gesamte Hab und Gut seiner Eltern durch das enge Treppenhaus nach oben gewuchtet hatten, waren wir schon Freunde geworden.
    Der kleine rothaarige Junge mit den Sommersprossen und einem viel zu breiten Grinsen im Gesicht streckte mir die Hand hin. »Hallo, ich bin Sunny … Sunny Regen, um genau zu sein.«
    »Cooool«, sagte ich gedehnt. »Das passt, ich bin Frank Schirmer! Regen und Schirmer – Regenschirmer!«
    Wir kicherten eine Weile herum, dann fragte ich: »Du sag mal, Regen ist schon ein komischer Name, aber dass Du auch noch Sunny heißt, ist wirklich komisch. Deine Eltern müssen ja echt einen im Tee gehabt haben!«
    Verschwörerisch beugte er sich zu mir herüber und grinste. »Das haben die manchmal auch, aber eigentlich heiße ich Stephan. Sunny ist mein Künstlername!« Ich schien ein fettes Fragezeichen auf meiner Stirn eintätowiert zu haben. Die Wirkung seiner Offenbarung war anscheinend nichts Neues für ihn. Er lehnte sich genüsslich zurück.
    Schließlich platzte ich heraus: »Warum hast Du denn einen Künstlernamen? Kannst Du etwa ein Liedchen trällern oder auf den Händen laufen?«
    »Das mit dem Liedchen lass ich lieber sein, aber das Auf-den-Händen-Laufen klappt ganz gut!«
    Im nächsten Moment stand er schon kopfüber auf den Händen und lief darauf auf dem Gehweg zwischen den Möbelpackern hin und her. Jetzt hatte er nicht nur einen dichten roten Haarschopf, mit dem er das Trottoir zu fegen schien, sondern auch noch einen roten Kopf, der mich verkehrt herum angrinste. Einer von den Möbelpackern holte gerade ein chromglänzendes Einrad vom Möbelwagen.
    Sunny lief auf den Händen zu ihm, rollte seitlich, ein Rad schlagend, auf die Füße und fragte: »Darf ich?« Ohne die Antwort abzuwarten, schnappte er das Einrad und schwang sich sofort drauf.
    Der Möbelpacker schaute ihm verwundert nach, kratzte sich am Kopf und meinte: »Ja, bist Du denn vom Zirkus ausgebüxt?!«
    Sunny drehte in voller Fahrt das Einrad, sodass er von einem Moment zum anderen plötzlich rückwärtsfuhr, und grinste den Möbelpacker an. »Nö, aber ich bin auf dem Weg dorthin!«
    Abermals ein Dreh und er fuhr wieder vorwärts und umkreiste mich lachend. Dann sagte er zu mir: »Los, streck deine linke Hand hoch, dann zeig ich Dir die Todesspirale.«
    Klar war ich dabei und reckte meine linke Hand hoch. »Geil!« Er packte mich am Handgelenk und hielt sich daran fest. Ich war seine langsam drehende Achse im Zentrum der Spirale, während er immer weiter und schneller in Schräglage ging.
    »Du musst mich halten, sonst falle ich!«
    Im nächsten Moment rutschte das Rad weg und ich erschrak fürchterlich.
    Aber Sunny grinste mich mit seinen rot glühenden Sommersprossenbacken an. Er hatte nur so getan, als würde er stürzen. Mit dem linken Bein hatte er sich längst abgefangen und das Einrad im Fallen mit der rechten Hand lässig abgefangen. Wir lachten und setzen uns in den kleinen Vorgarten vor unserem Haus.
    Er war nicht der Typ, der eine solche Show abgezogen hätte, um anzugeben. Er hatte einfach nur Spaß an der Show und freute sich diebisch darüber, wenn andere dabei genau so viel Vergnügen hatten. Wir saßen im Gras und ich fragte: »Was kannst Du sonst noch?«
    »Oh, ich habe die Fähigkeit mir die unterschiedlichsten Dinge sehr schnell anzueignen.«
    »Was denn zum Beispiel?«, fragte ich schnell.
    »Oh, zum Beispiel Deine Armbanduhr, die ist echt cool.«
    »Die hab ich von meinen Eltern zu meinem letzten Geburtstag gekriegt.« Stolz schaute ich zu meinem linken Handgelenk. Der Schreck stieg in Form von Hitze in mir hoch.
    »Scheiße, sie ist weg! Verdammt noch mal!«
    Grinsend griff Sunny an mein linkes Ohr und zog daran. Im nächsten Moment hatte er meine Uhr in der Hand. »Du solltest nächstes Mal besser auf Deine Sachen aufpassen!«
    »Boah … Mann … Alter, ich hatte echt Schiss, die wäre weg!«
    »Sorry, ich wollte Dich nicht erschrecken, aber Du hattest gefragt, was ich so drauf hab!«
    Dann nahm er die Uhr zwischen seine beiden Handflächen und rieb sie gegeneinander. Als er die Hände wieder öffnete, lag statt der Uhr ein Gänseblümchen in dem Kelch, den sie formten.
    »Wow!«
    Er steckte sich das Gänseblümchen in den Mundwinkel, nestelte an meiner Hemdtasche herum und zog meine Uhr heraus. Ich war verblüfft, erstaunt und schlichtweg begeistert!
    Später

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