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Körper-Haft (German Edition)

Körper-Haft (German Edition)

Titel: Körper-Haft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Romey
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erklärte er mir, wie er mir die Uhr abgenommen hatte: »Du erinnerst Dich, wie ich mich während der Todesspirale mit dem Einrad an Deinem Handgelenk festgehalten habe?«
    »Ja klar!«
    »Also, während ich mich an Deinem Handgelenk festhielt, habe ich mit dem Daumen das Lederarmband Deiner Uhr aufgeschoben. Der Rest war ein Kinderspiel! Wichtig sind dabei nur der Druck am Handgelenk und die nötige Ablenkung! Der Rest ist wirklich ein Kinderspiel! Aber erzähl’s niemandem weiter.«
    Dabei beließ er es leider und weigerte sich standhaft, mir noch mehr zu verraten. »Wenn man einen Künstlernamen hat, muss man auch Künstlergeheimnisse haben!«, erklärte er mir. »Das erhöht die Authenzität !«
    »Die Au-was ?«, wiederholte ich irritiert.
    Er lachte. »Das macht einen glaubhafter!« Ich beschloss meine Eltern am Abend nach Au-was zu fragen.
    Zwei Wochen später wurden wir von seinen Eltern zum Abendessen inmitten von halb ausgepackten Kartons eingeladen. Die Familie Regen war mit weitem Abstand die skurrilste, aber auch netteste Familie, die ich je kennengelernt hatte.
    Seine Eltern hatten, wie ich erfuhr, ebenfalls Künstlernamen. Als Nancy und Ronald Regen hatten sie Anfang der Achtziger eine Art politische Slapstick-Zaubershow kreiert , in der sie das ehemalige US-Präsidentenpaar, Ronald und Nancy Reagan , kräftig auf die Schippe nahmen.
    Diese Mischung aus Zaubertricks, politischer Satire und Artistik machte sie schnell über die Landesgrenzen hinaus bekannt. Mit Ihren Shows hatten Sie Gastnummern bei Varietés, diversen großen Zirkusveranstaltern und sogar im Fernsehen.
    Ich habe noch eine Fernsehaufzeichnung im Hinterkopf, in der Ronald Regen in der heimischen Präsidentenküche verzweifelt seinen Atomwaffensperrvertrag sucht, der sich vor den Augen der Zuschauer plötzlich in Luft auflöst. Kurz darauf zieht ihn Nancy Reagan aus einem Kochbuch mit dem Titel »Rezepte für ein schönes Leben« heraus und meint: »Glaubst Du wirklich, dass wir das Herrn Breschnew auftischen können?«
    Meine Eltern waren anfangs etwas befangen mit so viel ehemaliger Prominenz in direkter Nachbarschaft. Außerdem fanden sie es eigenartig, dass man ohne »richtige Arbeit« genügend Geld haben konnte, um ein Haus zu kaufen. Mein Vater, seines Zeichens Elektroingenieur, sagte immer: »Junge, wenn Du etwas in Deinem Leben erreichen möchtest, dann lerne etwas Richtiges, etwas Bodenständiges. Oder geh in die Wissenschaft, dahin wo die Zukunft schon heute gemacht wird.«
    Doch nach und nach gewöhnten sich meine Eltern an die rund zehn Jahre älteren Nachbarn und freundeten sich – »richtige Arbeit« hin oder her – mit Ihnen an. Einen großen Anteil an dieser Freundschaft hatten sicherlich Sunny und ich. Wir gingen so regelmäßig in beiden Häusern ein und aus, als hätten wir jeweils ein zweites Elternpaar adoptiert.
    Nach ihrer turbulenten Zeit als Ronald und Nancy Regen beschlossen die beiden, dass es Zeit sei, an die Familienplanung zu denken. Vermutlich hatten sie gemerkt, dass sie auf den Show-Bühnen den Zenit des Zuschauergeschmackes überschritten hatten und gleichzeitig die innere Uhr Nancys ticken hören.
    Vermutlich dachten Sie: »Man soll aufhören, wenn es am schönsten ist und etwas Neues anfangen, bevor das ganze Leben zur Routine wird!« So oder ähnlich kam es wohl zu dem glücklichen Zwischenfall, dass Sunny in ihr Leben trat, als sie beide bereits Anfang vierzig waren. Sie wurden sesshaft und gründeten Nancy and Ronald Regens Magic Cube .
    Was als kleiner Laden startete, um weiterhin für etwas Geld und Beschäftigung zu sorgen, wurde binnen kürzester Zeit zu dem Einkaufsmekka der Zauberzunft. Zuerst lokal, dann national und heute sogar international. Die vielen Kontakte, welche die beiden in der Szene hatten, das Know-how der Tricks und letztendlich auch ihr Name, machten den Laden zu einem Geheimtipp, der schon bald keiner mehr war.
    Sie hatten innerhalb von ein paar Jahren einen florierenden Versandhandel mit Zauberer- und Artistenartikeln erschaffen. Ganz ungewollt, ganz nebenbei – beinahe magisch.
    Ein paar Tage nach dem gemeinsamen Abendessen bei den Regens nahm mich Sunny mit in das Lager des Magic Cube . Das war kein Abenteuerspielplatz, das war deutlich besser. Einfach phantastisch! Ich hätte Tage, ja Wochen und Monate darin verbringen können, ohne dass es mir langweilig geworden wäre.
    Wir schlenderten durch die Regale und Sunny zog mal hier, mal da etwas heraus. Einen Magischen

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