Körper-Haft (German Edition)
Mistvieh schien sich mit einer Machete durch den Urwald meiner Nasenhärchen zu kämpfen!
Jedes stoßweise Ausatmen durch die Nase hatte lediglich den Erfolg, dass sich die Fliege kräftiger an den Nasenhärchen festhielt. Ein kurzes Bild schoss mir durch Kopf. Eine Fliege, die mit Kletterhelm, Klettergurt und Bergsteigerseil durch meine Nase klomm und Sicherungssplinte in die Schleimhaut trieb, um sich mit Karabinern abzusichern. Das Kitzeln war nicht mehr auszuhalten. Ich hatte den Eindruck, das Mistvieh müsste bald meine Nasennebenhöhlen erreicht haben, um dort drin herumzuschwirren, bis sie in ferner Zukunft eines natürlichen Todes starb – während ich längst mit leerem Blick meinem Verstand hinterherschauen würde.
Aber irgendwo tief in meiner Nase regte sich etwas. Eine Widerstandsbewegung schien sich in Form eines anderen Kribbelns in meiner Nase zu formieren. Ich spürte, wie sich eine gewaltige und unkontrollierbare Kraft in mir sammelte und kurz vor dem Ausbruch stand. Meine Lungen fühlten sich mit Luft, als würde sie in einen bodenlos tiefen Schacht gesaugt. Dann begriff ich endlich und schaute direkt in die Deckenbeleuchtung, um den Niesreflex auszulösen.
Noch zweimal ein kurzes, unkontrolliertes, stoßweises Einatmen, dann beförderte ich diesen penetranten Eindringling mit einer solchen Entladung aus meiner Nase, dass es mich nicht gewundert hätte, wenn er wie ein Wurfmesser vibrierend in der gegenüberliegenden Zimmerwand gesteckt hätte. Der Eingang meines Nasenloches bebte noch ein wenig nach, so als würden zwei Saloontüren nachschwingen, durch die man gerade einen besoffenen Cowboy mit einem kräftigen Fußtritt nach draußen befördert hatte.
So einen befreienden Niesreiz hatte ich vermutlich noch nie! Sogar die beiden anderen Quälgeister hatten von mir abgelassen und schwirrten aufschreckt über mir. Allerdings war mir klar, dass diese Ruhe nicht lange anhalten würde. Glücklicherweise schien das Niesen auch Platz für neue Gedanken geschaffen zu haben. Bewegung hielt die Biester fern. Und wenn schon die virtuellen Bewegungen der Holografien einen spürbaren Effekt hatten, wäre es doch gelacht, wenn reale Bewegung mich nicht endgültig von ihnen befreien würde …
John Mc Lay! Mein Retter! Ich blinzelte mich schnell in das Fitnessprogramm des Bettenmoguls und wählte den Zufallsgenerator für die Fitnessübungen aus.
Sofort surrten die Servomotoren meines Multifunktionsbettes nahezu lautlos und bewegten mich in meinem Bett hin und her, während John Mc Lay und seine Fitness-Armada als Hologramme über meinem Bauch ihren virtuellen Schweiß vergossen. Das Team arbeitete hervorragend für mich und gegen die penetranten Fliegen.
Gefängnis-Ballett
Ich habe keinerlei Ahnung, wie lange ich in dieser Fitness- Endlosschlaufe hing, denn irgendwann musste ich vor Erschöpfung eingeschlafen sein, obwohl mich das Bett weiterhin in alle erdenklichen Position zog und drehte. Ich erwachte, als die Tür aufging und ich die Stimme von Brötchen vernahm.
»Jetzt wollen wir doch mal sehen, ob Mosquito alles richtig gemacht hat…« Er stockte. »Was ist denn hier los? Ist das Fitnessfieber ausgebrochen?«
Erst jetzt bemerkte ich, dass alle bis auf Nr. 3 meiner Idee gefolgt waren und sich von ihren Betten durchschaukeln ließen, um die Fliegen fernzuhalten. Ich schaltete die Holographien von John Mc Lays Fitnessgruppe ab und stellte im Menü auf Eigenbetrachtung um. Ich justierte den Zoombereich, sodass ich alle gut sehen konnte. Da die Fliegen noch unterwegs sein mussten, wagte keiner das Fitnessprogramm des Bettes abzustellen. Der Einzige, der still und starr dalag, war Nr. 3 . Und der schielte mit schreckgeweiteten Augen auf seine eigene schwarz gefleckte Nasenspitze. Die Flecken bewegten sich und mir war klar, was das zu bedeuten hatte: Nr. 3 war der Gewinner von Mosquitos Reise nach Jerusalem!
Doch er sah überhaupt nicht danach aus, als ob er sich darüber freuen könnte. Brötchen sagte gerade in Richtung von Nr. 3 gewandt: »Na, mein Freund kein Spaß am Sport?!« Dann schien er endlich zu begreifen. »Verdammt, wo kommen denn die Fliegen her?« Einem ersten Impuls folgend schien er einfach mit der flachen Hand auf die Nase von Nr. 3 schlagen zu wollen.
Vier auf einen Streich! Ein Höchstmaß an Effizienz! Aber zum Preis einer blutigen und vielleicht sogar gebrochenen Nase. Das war jenseits jeder Verhältnismäßigkeit.
Etwas Ähnliches musste wohl auch Brötchen durch den Kopf
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