Körper-Haft (German Edition)
voll. »Dieses dauernde Rumgeknutsche macht einen echt fertig, da kommt man ja zu sonst nichts mehr. Die ist echt ’ne Knutschomanin!«, sagte er eines Nachmittags zu mir.
»Ja, wie so ’n Saugfisch im Aquarium. Einmal an die Scheibe angeknuscht, lässt die nie wieder los!«, stimmte ich ihm zu.
Wir lachten uns schlapp. Irgendwie waren wir beide froh, einfach nur elfjährige Jungs sein zu dürfen.
Magic Flashmob
Die Auftritte fehlten uns, und laufend nur Filme aus Ronalds Wunderkiste zu sehen, war über den Sommer auch nicht gerade das, wonach uns der Sinn stand.
Bis ich eines Tages die Idee hatte, den Magic Flashmob zu gründen. Ich hatte im Rahmen unserer offiziellen Auftritte alle E-Mail-Kontakte, die ich in die Finger bekam, in mein Computer-Adressbuch eingetragen. Warum sollten diese Adressen auf meiner Festplatte verschimmeln? Ich schickte also an alle eine E-Mail mit dem Wortlaut: » Magic Flashmob proudly presents: Magische Momente morgen um 14:00 Uhr auf dem Spielplatz an der Waldebene. Bitte gebt Euren Freunden Bescheid. Magische Grüße, Sunny und Frank.«
Mit dem alten Leiterwagen meiner Eltern karrten wir unsere gesamte Ausrüstung auf den Waldspielplatz und trafen dort schon zwei Stunden vor dem geplanten Start auf unsere Fans. Solche Aktionen gingen natürlich nur bei schönem und warmem Wetter, da sich niemand für uns den Arsch abfrieren wollte. Aber immerhin waren wir wieder präsent! Wenn auch nur saisonal. Meine Eltern hatten erst nach dem zweiten Flash-Mob von unserer Vorstellung erfahren und waren sauer auf mich, weil ich sie nicht eingeweiht hatte.
»Junge, wir kommen wegen Dir noch in Teufels Küche, wenn das rauskommt! Die GEMA und das Jugendamt machen uns noch die Hölle heiß.«
Ich wusste nicht, wie ich darauf reagieren sollte, erst Ronald und Nancy konnten die Wogen schließlich in einem Gespräch mit meinen Eltern glätten: »Die beiden verlangen ja keine Eintrittsgelder mehr. Sie bekommen nur noch Spenden, indem sie den Hut herumgehen lassen. Und wenn das nun mal ihr Hobby ist, dann sollen sie es doch auch machen. Immer noch deutlich besser, als vor dem Computer mit Ballerspielen den nächsten Amoklauf zu simulieren!«
Das zog! Auch wenn meine künstlerischen Gehversuche meinen bodenständigen Eltern den ganzen Stolz ihrer genetischen Urheberschaft in die Brust zauberten – ihre Vorbehalte konnten sie nie ganz ablegen.
Ich hatte zufällig eines Nachts ein Gespräch belauscht, bei dem sich – ebenso zufällig – mein Ohr dicht an die geschlossene Schlafzimmertür meiner Eltern presste. »Von wegen, die Wände haben Ohren – es sind die Türen«, dachte ich und musste grinsen.
Mein Vater sagte in besorgtem Tonfall: »Ich hoffe nur, der Junge lernt mal was Richtiges. Egal, ob er ’ne Lehre macht oder studiert. Vielleicht sogar irgendetwas mit Strom. Da weiß man auf jeden Fall, was am Anfang reingeht und was am Ende rauskommt. Und das sieht man nicht nur auf dem Multimeter , sondern monatlich auch auf dem Gehaltskonto. Aber dieses ganze Theater mit diesen Auftritten und so … das ist doch eine brotlose Kunst.«
»Schatz, jetzt lass den Jungen doch mal, wenn er so Spaß daran hat. Vielleicht ändert er sich ja auch noch. Er ist ja schließlich noch ein Kind. Und die Noten sind sogar besser geworden, seit Sunny mit ihm auf die Schule geht.«
»Umso wichtiger, dass er aus den Noten auch was macht, wovon er leben kann – oder willst Du Dein Leben lang einen Künstler durchfüttern?«
Ich versuchte gerade eine bequemere Position zu finden, um meine Ohrmuschel noch mehr wie einen Saugnapf gegen die Tür zu pressen, als der Dielenboden verdächtig unter mit knarrte. Ich zuckte erschrocken zusammen, stand schnell auf und tat so, als würde ich schlaftrunken zur Küche hinuntergehen.
Prompt ging die Schlafzimmertür meiner Eltern auf, mein Vater streckte misstrauisch den Kopf heraus und fragte: »So spät noch unterwegs, junger Mann?«
»Hmm?«, sagte ich mit hängenden Schultern und noch tiefer hängenden Augenliedern. »Ich hab Durst … außerdem hab ich schlecht geträumt. Irgendwas mit Elektrotechnik. Ich hab ‘nen Stromschlag bekommen, die Haare sind mir hoch gestanden, meine Haut hat Blasen geworfen und ich konnte nicht mal schreien. Dann bin ich aufgewacht! Und jetzt hab ich ‘nen ganz trockenen Mund!«
»Mein Gott, das ist ja furchtbar, soll ich mit runtergehen?«, fragte er besorgt.
»Ne, ist schon in Ordnung Paps, ich hab nur furchtbaren Durst und will dann
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