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Körper-Haft (German Edition)

Körper-Haft (German Edition)

Titel: Körper-Haft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Romey
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hatten, wurde er auch unser erster Werbekunde, der Anzeigen zu unseren Clips schaltete.
    Doch wir beließen es natürlich nicht bei den ollen Kamellen, sondern arbeiteten immer wieder an neuen Projekten und stellten Clips davon ein. Nachdem uns Ronald in die Filmbearbeitung am Computer in groben Zügen eingewiesen hatte, versuchten wir allerlei Tricks und Spielereien mit der Kamera einzufangen und auszuprobieren.
    Unter anderem spielten wir Szenen aus unseren liebsten Filmklassikern nach und Sunny würzte sie mit ein paar Zaubertricks oder Akrobatiknummern. Während alle Welt die buntesten Bilder produzierte, drehten wir alles in diesem wunderbaren Sepia-Ton, arbeiteten Kratzer und Blitzer ins Material ein und ließen die Filme einen kleinen Tick zu schnell laufen. Als stilistisches Mittel und gleichzeitig als eine Reminiszenz an die Zeit, in der die Bilder laufen lernten.
    Sogar unsere erste Darth-Vader-Nummer stellten wir noch einmal in einer zerkratzten Sepia-Variante ins Netz. Und was als kleiner Gag gedacht war, hatte zeitweise sogar noch höhere Klickraten als die farbenprächtige Urversion.
    Wir hatten uns damit ein USP , ein Alleinstellungsmerkmal, geschaffen. Und wir merkten schnell, dass wir durch den größten Blödsinn oft den größten Erfolg generieren konnten. In Anspielung an eine Bankenwerbung drehten wir auch einen Clip mit dem Slogan: »Wir machen Blödsinn bezahlbar. Wir wollen nur Ihr Bestes – Ihr Geld!« Womit wir uns natürlich auch selbst hochnahmen, denn unser Blödsinn wurde schließlich über Werbung auch bezahlt. Sogar der größte Blödsinn.
    Eines Tages ließen wir uns von Nancy an eine Autobahnraststätte fahren. Die Toilette neben der Tankstelle war mit einem großen Leuchtschild »WC« gekennzeichnet. Ich versteckte mich im gegenüberliegenden Gebüsch und filmte. Sunny hatte einen angeklebten Bart, eine Hornbrille auf der Nase und einen Hut auf dem Kopf. Zuerst sah man langsam seinen Arm mit dem Trenchcoat aus der Tür kommen. Dann lugte sein Kopf geheimnisvoll hervor. Er spähte nach rechts und links und kam dann mit übergroßen, vorsichtigen Schritten heraus. Dann öffnete er seinen Trenchcoat und zauberte mit spitzen Fingern drei Klobürsten hervor, die er in die Luft warf und vor der Autobahntoilette jonglierte.
    Das Beste an der Vorstellung waren die Reaktionen der Zuschauer, die größtenteils stirnrunzelnd oder auch angeekelt das Schauspiel verfolgten, da sie davon ausgingen, es handele sich um gebrauchte Klobürsten und nicht um neue, die wir kurz davor im Supermarkt besorgt hatten. Die Bandbreite der Reaktionen war groß, von entsetzten Gesichtern bis hin zu schallendem Gelächter war alles dabei. Auch diesen Clip setzten wir in unserer Sepia-Technik um. Und der Blödsinn wurde allein schon wegen der unterschiedlichen Zuschauerreaktion tausende Male auf You Tube angeklickt.
    Bis zum Abitur hatten wir schon ein ordentliches Sümmchen Geld verdient und wurden von unseren Mitschülern teils bewundernd, teils neidisch beäugt. Dass wir anders waren, war nicht zu übersehen. Wir verdienten unser Geld mit unseren Clips, während andere ihr Taschengeld aufbesserten, indem sie Zeitungen austrugen oder sich in Ferienjobs einen Einblick verschafften, wie das bevorstehende Arbeitsleben aussehen könnte.
    Vom Fließbandjob bis zum Nachtportier reichte die Bandbreite, aber wir lagen definitiv außerhalb des Normalbereichs. Kein Wunder, dass man uns als Paradiesvögel sah, die alles, was sie anfassten, zu Geld machten. Und dies zu einer Zeit, in der die Anderen noch nicht einmal eine Ausbildung in der Tasche hatten, geschweige denn wussten, was sie studieren sollten.
    Wir hingegen hatten schon einen Job und unser eigenes Geschäft. Deshalb war unser Umfeld umso erstaunter, als wir verkündeten, an die Uni gehen zu wollen. Auch wenn mein Vater weiterhin auf Elektrotechnik pochte, hatte ich ganz andere Pläne für mich und das Schicksal hatte ganz andere Pläne für ihn …
    Sunny und ich trugen uns beide für Event-Management an der Uni ein. Sunny, der geborene Entertainer und ich als der kreative Architekt unserer gemeinsamen Unternehmungen. Vermutlich hatte unser erster Auftritt im Jugendhaus bereits den Grundstein für unseren beruflichen Lebensweg gelegt. Bereits während unseres Studiums planten und veranstalteten wir Events für die unterschiedlichsten Firmen, Verbände und Anlässe.
    Kurz nach meinem achtzehnten Geburtstag und meinem Kirchenaustritt starben meine Eltern bei einem

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