Koerper, Seele, Mensch
Stillstand des Blutflusses, zu einer lokalen Stockung durch die Verklebung der Blutplättchen. Aus einer Untergruppe der weißen Blutkörperchen entstehen dadurch die sogenannten Freßzellen, die Makrophagen, die die Wunde durch ihre Fähigkeit zur Aufnahme und Verdauung säubern. Dieser Vorgang stößt die Infektabwehr an. Außerdem setzen die
Der Funktionskreis der Wundheilung
Freßzellen Mediatoren, also Überträgerstoffe, frei, die undifferenzierte embryonale Faserzellen zu Fibroblasten, zu faserbildenden Zellen, umwandeln können. So entsteht in der zweiten, der proliferativen Phase der Wundheilung das gefäßreiche Granulationsgewebe, das wiederum Voraussetzung zur Neubildung von Gewebe ist. Man nennt es pluripotent, womit gemeint ist, daß es entweder zu Funktionsgewebe oder zur Bildung von Narbengewebe führen kann. Damit ist die Wundheilung erfolgreich abgeschlossen.
Würden diese Vorgänge allein nach den eher banalen Gesetzen der Physik und Chemie ablaufen, so wären es immer zweigliedrige Vorgänge: Auf eine ganz bestimmte Ursache folgt eine ganz bestimmte Wirkung. Das System ist als solches nicht lernfähig oder flexibel. BiologischeVorgänge laufen aber nicht linear ab, sondern in Kreissystemen. Wenn man den ganzen Wundheilungsvorgang vereinfacht, kann er (wie in der nebenstehenden Skizze) gut verständlich als ein Funktionskreis aus semiotischer Sicht dargestellt werden: Jede Ursache hat eine Bedeutung und löst eine Wirkung aus, jede Wirkung ist Träger einer neuen Bedeutung und als solche wiederum ein neuer Auslöser, eine neue Ursache für eine neue Bedeutung und eine neue Wirkung. Schritt für Schritt kommt es so zu einer gelungenen Wundheilung. Bei jedem dieser Schritte sind – immer wieder andere – Zeichen im Spiel, die in Form von ganzen Zellen (zum Beispiel den roten Blutkörperchen, den Freßzellen) oder als unterschiedliche chemische Stoffe (Enzyme, Mediatoren usw.) auftreten.
Einflüsse der Umgebung, zum Beispiel ein Schlag oder ein gezielt geführtes Skalpell, verursachen eine Wunde, ein Problem, hier also eine Blutung. Diese Blutung nennen wir jetzt ein Merkmal. Das Merkorgan ›Gerinnungssystem‹ wird von der Blutansammlung als Kaskade in Gang gesetzt, die Freßzellen werden dadurch wie ein Subjekt tätig und wirken auf die embryonalen undifferenzierten Faserzellen, so daß es zum Wachstum von Fibroblasten kommt; als Wirkung entsteht neues Gewebe. Die Auswirkung, das Wirkmal, ist das Ergebnis: die Wundheilung.
Welche Faktoren sind nun mögliche Ursachen einer Wundheilungsstörung? Bleiben wir zur Beantwortung dieser Frage zunächst auf der Ebene des Subsystems des Wundheilungs-Funktionskreises: Natürlich kann es bei jedem einzelnen der skizzierten Schritte zu Schwierigkeiten kommen, wenn die organischen Voraussetzungen nicht stimmen. Ein Enzymdefekt in der Blutgerinnungskaskadebeispielsweise unterbricht diesen Funktionskreis nachhaltig, der Kreisvorgang der Wundheilung bleibt unvollendet. Eine Durchblutungsstörung läßt die erforderlichen Überträgerstoffe (Mediatoren) und den notwendigen Sauerstoff gar nicht erst in den Wundbereich gelangen. Das wäre zum Beispiel bei Diabetes, bei einer arteriellen Verschlußkrankheit oder bei nervlich bedingten Störungen der Beweglichkeit der Blutgefäßwände, etwa bei Lähmungen, der Fall. Auch eine massive Kontamination mit gefährlichen Krankheitserregern kann die Freßzellen und damit das Abwehrsystem überfordern, so daß eine Wundinfektion entsteht, die fatale Folgen haben kann.
Solche Probleme kennt jeder Arzt, jeder Chirurg, und jeder hat seine Medikamente, seine Methoden und Tricks, um der Wundheilung in diesen Fällen, mehr oder weniger erfolgreich, auf die Sprünge zu helfen. Immerhin sind die chronischen Wunden, die Wundheilungsstörungen, keine wirkliche Seltenheit. Man geht davon aus, daß allein in Deutschland mehr als zwei Millionen Patienten davon betroffen sind; die Auswirkungen können katastrophal sein.
Es gibt aber auch Wundheilungsstörungen, die von ganz anderen Subsystemen aus initiiert werden können, wie das folgende Beispiel zeigt.
Als ich mich vor Jahren niederließ und meine Praxis in der Frankfurter Innenstadt langsam anlief, hatte ich neben vielen anderen Sorgen ein ganz spezielles Problem: Eine nicht unerhebliche Zahl von Patienten, die von ihren Hausärzten geschickt worden waren oder auf eigene Initiative kamen, wußte von einer langen Leidenszeit zu berichten und hatte zum Teil aktenartige
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