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Koerper, Seele, Mensch

Koerper, Seele, Mensch

Titel: Koerper, Seele, Mensch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Hontschik
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Signalton, sondern Spritze, Signalton und fallender Blutdruck zusammengehören. Der Effekt eines eindeutig wirkenden Medikaments konnte durch eine konstante Umgebungskonstruktion und durch Gewöhnung in sein Gegenteil verkehrt werden. Wieder muß man eine geheimnisvolle ›interpretierende Instanz‹ annehmen, die so mächtig wirken kann, daß Physik, Chemie und Pharmakologie auf den Kopf gestellt werden.
    Möglichkeit 3 : Scheinwirkstoff, unerwartet ›echte‹ Wirkung Eine neuseeländische Forscherin ließ an Studenten Tonic-Water ausschenken, sagte aber jedem zweiten Studenten, es handele sich um Wodka-Tonic. Nach einiger Zeit und einiger Trinkmenge überprüfte sie bei beiden Gruppen das Gedächtnis, das Urteilsvermögen und andere körperliche Funktionen. Diejenigen, die im Glauben gewesen waren, Wodka getrunken zu haben, zeigten typische Symptome der Trunkenheit: Sie hatten Gleichgewichtsstörungen, manche auch Sprachstörungen, sie waren leichter zuverunsichern und konnten sich auf ihr Gedächtnis nicht verlassen. Man hatte die Studenten allein durch die Aussage, daß sie ein hochprozentiges alkoholisches Getränk erhalten hatten, in einen Alkoholrausch versetzen können (vgl. Assefi/Garry 2003). Die ›interpretierende Instanz‹ hat also die Macht, unwirksamen Stoffen eine kräftige Wirkung zuzuordnen.
    Einen ähnlichen Effekt kann man mit der sogenannten Placebo-Chirurgie, mit Schein-Operationen, erreichen. Schließlich regt kaum etwas die Phantasie von Patienten so sehr an wie die Vorstellung, operiert zu werden oder operiert worden zu sein. In jüngster Zeit sind verschiedene Experimente bekannt geworden, die die Wirkung von operativen Eingriffen in neuem Licht erscheinen lassen. So wurde zum Beispiel von dem texanischen Wissenschaftler Moseley in Houston der folgende Versuch vorgenommen: Patienten mit fortgeschrittener Kniegelenksarthrose wurden operiert. Das häufigste Vorgehen besteht bei dieser Erkrankung in einer Gelenkspiegelung, wobei man das Kniegelenk mit reichlich Wasserlösung spült, um anschließend mittels rasiermesserscharfer Instrumente die defekte Knorpeloberfläche im Gelenk zu glätten. Die 180 Patienten wurden in drei Gruppen eingeteilt. Die erste Gruppe erhielt die übliche Gelenkspülung mit Knorpelglättung, die zweite Gruppe erhielt nur eine Gelenkspülung, und bei der dritten Gruppe wurde die Operation komplett simuliert, d. h., die Spülung und Glättung wurden durch eine plätschernde und surrende Geräuschkulisse vorgetäuscht, an den entsprechenden Stellen wurden aber die typischen, einen Zentimeter langen Hautschnitte gesetzt und vernäht. Das Ergebnis der in den folgenden zwei Jahren durchgeführten Nachuntersuchungen lautete:In allen drei Gruppen berichteten Patienten von einer Abnahme ihrer Beschwerden. Darüber hinaus bestand weder in der Beweglichkeit des Kniegelenkes noch in der Besserung der Schmerzhaftigkeit ein Unterschied zwischen den Gruppen. Kann man den fehlenden Unterschied vielleicht noch auf die fragliche Wirksamkeit der Operation zurückführen, so können die tatsächlich eingetretenen Besserungen doch nur mit einem starken Placeboeffekt der Operation erklärt werden.
    Mit ähnlich eingerichteten Untersuchungen konnte der gleiche Effekt bei der Behandlung von Gefäßverschlüssen des Herzens mit einem Laserkatheter (vgl. Stone 2002) und bei der Behandlung von Bauchschmerzen durch Bauchspiegelungen mit Spülungen und Lösung von Verwachsungen (vgl. Swank 2003) nachgewiesen werden. Die eigentliche Sensation besteht bei all diesen Studien nicht darin, daß sich kein signifikanter Unterschied zwischen den wirklich operierten Patienten und den nur zum Schein operierten Patienten fand, sondern daß es in beiden Gruppen zu einer meßbaren Besserung des Gesundheitszustands kam – am Knie, am Herzen, im Bauch! Sind Operationen also mit einer heilenden Aura verbunden, sind Ärzte, speziell Chirurgen, wandelnde Placebos?
    Möglichkeit 4: Scheinwirkstoff, keine Wirkung
Hier bewegen wir uns wieder auf bekanntem Terrain: Die Voraussagen der
    Schulmedizin treten ein, Physik und Chemie funktionieren wie erwartet. Man gibt Studenten Tonic-Water, und obwohl man es als Wodka-Tonic ausschenkt, tritt
    keinerlei Wirkung ein. Beispiele für die Gabe eines Placebos ohne jeden Effekt könnte man endlos aufzählen.
    Die Schulmedizin kann mit ihrer Vorstellung vom Menschen als trivialer Maschine nur die beiden Möglichkeiten erklären, bei denen das eintritt, was zu erwarten war:

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