Koerpersprache Der Erotik
ihrem betulichen Aufstieg zum Gipfel hilft. Berufen konnte man sich in dieser Frage auf Altvater ALFRED KINSEY, der schon in seinem Report aus den fünfziger Jahren befand, das Vorspiel sei im allgemeinen zu kurz!
Diese neuen Auffassungen haben sich in unsere Köpfe geschlichen wie Umweltgifte in die Leber und eine Menge im sexuellen Verhalten verändert:
Da wurde der Körper der Frau zur Landkarte, bestehend aus erogenen Zonen, die in bestimmter Reihenfolge liebkost werden sollten. Da lernten die Männer alte und neue Techniken, um ihre schnelle Lust zu zügeln.
Zumindest diesen Vorteil hat
das eingebracht: Neue sexuelle Erfahrungen wurden möglich, man dachte vielleicht zum erstenmal über das eigene Verhalten nach. Aber die schädliche Nebenwirkung ist nicht zu übersehen: Alles, was zum »Muß«
wird, vertreibt die »Muse«. Wo nicht mehr das Spiel, sondern nur die Spielregel gesehen wird, vergeht rasch die Freude.
Die also ziemlich verbreitete Vorstellung vom erotischen Spiel als Pflicht vor der Kür hat in der Tat typische Formen fürs sexuelle Zusammensein geprägt. Eine davon: das gar zu pflichtbewußt absolvierte Vorspiel, das jedesmal nach dem gleichen Ritual abläuft. Glauben wir dem RALF-Report über die Sexualität der Deutschen, lassen wir uns ohnehin recht leicht zu erotischen Gewohnheitstieren dressieren. Nun wird also nicht nur mittwochs und samstags nach der »Sportschau« geliebt - auch die Dauer der Begegnung verläuft noch gleich. Dazu ein paar Zahlen, die einen Hinweis liefern können:
Kinsey stellte in seinen Untersuchungen noch erhebliche Unterschiede bei der Dauer des Vorspiels fest: Elf Prozent kamen nach drei Minuten zur Sache, 36 Prozent brauchten vier bis zehn Minuten, 31 Prozent elf bis 21
Minuten und immerhin 22 Prozent ließen sich mehr als 21 Minuten Zeit.
Zwanzig Jahre später beobachtete Kinseys Landsmann SEYM O U R
F I S H E R eine bemerkenswerte Nivellierung: In einer Studie gab mehr als die Hälfte an, ihr Vorspiel sei eine Sache von fünfzehn Minuten.
Was also möglicherweise verlorengeht, ist die Unbefangenheit, so lange zu spielen, wie man will. Oder eben manchmal auch weitgehend darauf zu verzichten. In argen Verruf geriet vor allem jene Form sexueller Begegnung, die der englische Sexualapostel A L E X C O M F O R T so treffend »Quicky« nannte: die kurze, rauschhafte Vereinigung jenseits aller Orgasmusängste mit ihrem - so Comfort - scharfen Reiz des Blitzeinschlags. Entgegen der heute landläufigen Meinung kann auch eine Frau dabei höchste Wonne erfahren. Denn nicht einmal die raffinierteste Liebestechnik ist für sie so erregend wie das heftige Begehrtwerden von dem Mann, den sie liebt - wie Seymour Fisher in der Untersuchung über den Orgasmus der Frau feststellte.
Eine andere typische Konsequenz aus dem Vorspielstreß:
Die gutgemeinten Bemühungen des Liebhabers erzielen genau das Gegenteil des angestrebten Effekts. Statt aufzusteigen zu den höchsten Höhen, steigt die Frau an seiner Seite schlicht aus! Das geschieht vor allem dann, wenn der Mann gar zu langatmig um sie bemüht ist. Wenn er aus übertriebener Rücksicht überhaupt nicht mehr auf sein eigenes Tempo und sein eigenes Drängen hört. Weil er sich das als guter Liebhaber schuldig ist: von oben bis unten und von unten bis oben, und das Ganze noch mal rückwärts.
Mit den feinen Antennen, die uns naturgemäß beim Liebesspiel erwachsen, nehmen wir deutlich wahr: Eigentlich ist er mehr mit den Händen als mit dem Herzen dabei. Nicht selten schickt dann die so »bearbeitete« Frau ein stummes Stoßgebet zum Himmel, er möge doch nun endlich zur Sache kommen! Da sie ihn nicht verletzen möchte, signalisiert sie schließlich Bereitschaft, die gar nicht mehr vorhanden ist, und beendet damit das zähe Mißverständnis.
Wohl dem Paar, das offen genug miteinander umgeht, um hier aufzuklären, und dann vielleicht auch noch über genügend Humor verfügt, um gemeinsam darüber zu lachen!
Nachdenklich stimmt auch, was die amerikanische Soziologin SHERE
HITE zum Thema Vorspiel in ihrem Report über das sexuelle Erleben des Mannes ins Bewußtsein fördert: nämlich einen ziemlichen Wirrwarr an Vorurteilen und oft eine gehörige Portion zorniger Enttäuschung. So gab die große Mehrheit der befragten Männer an, daß sie im Bett die ganze Arbeit zu leisten hätten:
» Es macht mich verdammt zornig, die Damen nehmen offenbar an, daß Männer keine aktive Stimulierung brauchen.«
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