Koestlbachers erster Fall
weil die entsprechende
Lichtquelle noch nicht montiert worden war. Auf diese Missstände hin
angesprochen, bekam die Anna nun schon seit Tagen von ihrem Mann dieselbe
stereotype Antwort:
»Bald, Liebes, bald!«
Natürlich war klar, was der
Köstlbacher mit seinem »Bald!« meinte. Nach 20 Jahren Ehe mit einem
Kripobeamten wusste die Anna, dass es bei ihrem Mann eine ganz klare Reihenfolge
gab, auch wenn er das nie so gesagt hatte: Erst die Arbeit und dann die
Familie. Das war auch der Grund, warum die Anna schon mit der Geburt vom
Karl aufgehört hatte, in ihrem Beruf als Versicherungskauffrau zu arbeiten und
Vollzeit in den Hausfrauenberuf gewechselt hat. Als sie dann daran dachte,
doch wieder in ihren gelernten Beruf zurückzukehren, da wurde sie mit der
Clara schwanger. Und inzwischen war die Anna so lange Hausfrau, dass sie
sich ein anderes Berufsleben nicht mehr so richtig vorstellen konnte. Einen
kleinen Hoffnungsschimmer hatte sie noch, als sie von Straubing nach Regensburg
umgezogen waren, weil so ein Neuanfang vielleicht ja auch ein Neuanfang in der
Arbeitswelt. Aber dann kam diese SOKO dazwischen, deren Leitung
der Edmund und so. Da merkte die Anna schnell, dass wieder mal alles an ihr
hängen blieb, die Hausarbeit, die Kinder, der kleine Garten, das Einkaufen, die
Arbeit am Elterngrab, eben einfach alles.
Inzwischen kam es ja sogar schon
vor, dass ihr Mann eine ganze Nacht über nicht nach Hause kam. Da werde mal
fertig damit als Frau, die außer zum Supermarkt, zum ›Unteren Katholischen Friedhof‹ , zu einer Elternsprechstunde
ins AAG oder zur Grundschule am Napoleonstein kaum mal einen Fuß vors Haus
bringt. Einen Stadtbummel, gar noch einen mit dem Edmund, für andere Ehepaare
eine Selbstverständlichkeit. Und bei ihnen?
»Bald, Liebes, bald!«
Die Anna konnte das schon nicht
mehr hören!
»Weißt du eigentlich noch, wie
unsere Kinder aussehen?«, hatte sie ihn neulich gefragt.
Das hat den Köstlbacher aber dann
doch im Innersten getroffen, weil vom Prinzip her, er ja familiär und gerne
gute Vaterfigur. Drum hat er dann auch kurzfristig seine Reihenfolge
abgeändert und seinen Beruf auf den zweiten Platz in seiner Werteskala
verschoben.
Und gerade, als er seine ersten
aktiven Schritte in diese Richtung angehen wollte und der Anna außer dem
bisherigen »Bald, Liebes, bald!« konkrete Vorschläge machen wollte, just
in diesem Moment läutete das Telefon und der Kommissar Liebknecht war dran:
»Hallo Chef! Entschuldigen Sie die
späte Störung, noch dazu am Sonntag. Ich weiß, Sie haben dienstfrei! Aber wir
haben wieder einen Toten! Und so wie es aussieht, einen, der die SOKO
betrifft!«
»Wer?«, fragte der Köstlbacher nur
knapp, weil jetzt wieder ganz Kripo und Familienvorsätze spontan auf später verschoben.
»Manuel Kleber!«, antwortete der
Liebknecht.
»Wo?«, fragte der Köstlbacher
weiter, weil präzise Fragen ohne irgendwelches Geschnörksel drum herum immer
professionell.
»Tändlergasse, Höhe ›Hotel Münchner Hof‹ !«, antwortete der
Liebknecht!
»Wer ist dort?«, fragte der
Köstlbacher.
»Ein paar Kollegen von der Streife
halten Passanten fern. Die Spurensicherung habe ich schon informiert. Wird
jeden Augenblick da sein. Und ich«, antwortete der Liebknecht.
»Gut! Keiner soll was anrühren!
Auch die Spurensicherung soll mit ihrer Arbeit noch warten. Möchte mir erst
selbst ein Bild machen. Bin in 10 Minuten da!«, antwortete der Köstlbacher
und legte den Hörer auf.
»Was Dienstliches?«, fragte die
Anna, die von der Küche kommend den letzten Satz ihres Mannes noch mitbekommen
hatte.
»Schon wieder ein Toter! Tut mir
leid! Dienst ist Dienst!«, sagte der Edmund.
»Mord?«, fragte die Anna, der
natürlich bewusst war, dass sie gerade jetzt nicht mit Jammern anfangen durfte,
weil in so einem Fall dienstfrei höchstens wirksam, wenn auf Urlaub in
Österreich oder so.
»Keine Ahnung! Auf alle Fälle ein
Toter in der Tändlergasse. Und wie es aussieht, ein alter Bekannter!«,
antwortete der Edmund.
Als langjährige Ehefrau eines
Kripobeamten wusste die Anna natürlich, dass mit Bekannter keiner aus dem
Bekanntenkreis der Familie gemeint war.
»Sei vorsichtig!«, sagte sie noch
zu ihrem Edmund, der sich schon seine Jacke übergezogen hatte, den
Autoschlüssel vom Schlüsselbrett holte und in Richtung Haustüre unterwegs
war.
»Aber klar doch! Bis später!«,
sagte der Edmund noch, hauchte der Anna einen schnellen Kuss auf die Lippen und
wandte sich zum
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