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Kohärenz 01 - Black*Out

Titel: Kohärenz 01 - Black*Out Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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Fenster. Ringsum im Dickicht und fast verdeckt von Büschen und Bäumen standen Zelte, Wohnwagen und, unter Planen verborgen, einige Autos. Unten am See brannte ein Lagerfeuer, um das ein paar Dutzend Menschen herumstanden. Alles wirkte friedlich, wie ein Campingplatz eben. Und doch irritierte ihn etwas.
    Er brauchte eine Weile, ehe ihm klar wurde, was: Das Feld war hier nicht mehr zu spüren.

 
    35 | Sie stiegen aus. Es roch nach Rauch, nach Essen. Man hörte verhaltene Stimmen, jemand hackte Holz, und in den undurchdringlichen Tiefen des Waldes krakeelten allerlei Vögel. Der Boden war weich und nachgiebig, was eigentümlich beruhigend wirkte.
    Die Menschen am Feuer hatten ihre Ankunft bemerkt und kamen gemächlichen Schritts heran, um sie zu begrüßen. »Meine Schwester«, stellte Kyle sie vor, »und das ist Christopher.« Er hob den Kopf, sah in die Runde. »Wo ist denn Dad?«
    »Dein Vater musste kurz weg«, sagte ein Mann mit einer Statur, die an einen Bären denken ließ. Er musterte Christopher, ohne auch nur einen Muskel seines ausdruckslosen Gesichts zu verziehen. »Ich zeige euch das Gästezelt. Jeremiah kommt so bald wie möglich.«
    »Wo ist er denn hin?«, wunderte sich Kyle.
    »Das musst du ihn selbst fragen.«
    Das gefiel Kyle sichtlich nicht, aber Christopher war froh darüber. Er hatte es geschafft. Er war tatsächlich hier! So ganz konnte er es noch gar nicht glauben.
    Er nahm seine Tasche und folgte dem Mann, der, wie er später erfahren sollte, John Two Eagles hieß, ein Indianer vom Stamm der Piegan Blackfeet und so etwas wie Jeremiah Jones’ Stellvertreter im Lager war.
    Das Gästezelt roch muffig, als habe es jahrelang halb feucht zusammengefaltet in irgendeinem Kofferraum gelegen. Eine niedrige Liege stand darin, die bei jeder Bewegung quietschte, und der Schlafsack darauf fühlte sich klamm an. Sie ließen ihn allein zurück; offenbar würden Serenity und Kyle woanders schlafen.
    Christopher ließ sich auf die Liege fallen und schloss für einen Moment die Augen.
    Kühl war es. Jetzt im Frühling und nach der langen Autofahrt angenehm, aber wie mochte es sein, den Winter hier draußen zu verbringen? Er erinnerte sich undeutlich an allerhand unerfreuliche Erzählungen, wie die Winter in Montana sein konnten. Dreißig, vierzig Grad minus und so. Meterhoch Schnee und heftige Stürme.
    War es eine gute Idee gewesen hierherzukommen?
    Nein, sagte sich Christopher mutlos. Es gab bloß keine Alternative.
    Sein Gedärm meldete sich. Jetzt, da die erste Anspannung von ihm abfiel, duldete es keinen weiteren Aufschub mehr. Er fragte sich zur Toilette durch. Das war auch ein Zelt, ein kleines, vergilbtes, in dem eine Holzbank mit einem ausgesägten Loch darin über einer atemberaubend stinkenden Grube stand und Fliegen einen aufgeregt umschwirrten. Wenigstens gab es Klopapier.
    Verzweiflung beschlich ihn. Warum entpuppte sich das alles nicht als schlechter Traum? Warum konnte es nicht einfach wieder sein wie früher?
    Die Hände wusch man sich mit Wasser aus einem Eimer. Auf einem Stein lag ein Stück Seife. Das Wasser war so kalt, dass man das Gefühl hatte, es brenne auf der Haut.
    Das sollte nun sein Leben werden? Diese Frage ging Christopher durch den Kopf, während er sich die Hände an einem Tuch abtrocknete, das an einem Ast hing. Sich verkriechen in der Einöde? In der Einsamkeit hausen, weit weg von allen Orten, an denen es sich angenehm lebte und die deshalb schon seit langer Zeit dicht besiedelt waren?
    Und nie wieder mit Computern zu tun haben! Das konnte er sich am schwersten vorstellen. Was sollte er denn dann tun? Er war dafür geboren, mit Rechnern umzugehen, wie andere geborene Fußballspieler oder geborene Anführer waren.
    Irgendwo schrie ein Tier. Es war ein hohler, lang gezogener Laut – so, als leide es unter einer schrecklichen Sehnsucht.
    Am Himmel zogen dicke Wolken auf. Die Dämmerung nahte, und es sah aus, als würde es in der Nacht regnen.
    Auf dem Weg zurück zum Gästezelt tauchte Serenity wieder auf. »Da bist du ja«, sagte sie erleichtert, so, als habe sie ihn gesucht. »Komm, es gibt Abendessen!«
    Sie versammelten sich rings um das Lagerfeuer, saßen auf umgestürzten Baumstämmen oder auf dicken Plastikkissen am Boden: um die zwei Dutzend Leute, mehr Männer als Frauen, die meisten zwischen vierzig und sechzig, wie Christopher schätzte. Es gab Bohneneintopf mit Fleisch aus zwei großen Kochtöpfen, die an Dreifüßen über dem Feuer hingen. Christophers Magen

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