Kohärenz 01 - Black*Out
so laufen wird?«, fragte Christopher.
Serenity schüttelte den Kopf. »Kyle hat was angedeutet, aber … Nein. Ich denke, das ist, weil sie gesucht werden.«
»Klar.«
Sie sah nachdenklich aus dem Fenster. »Es ist ewig her, dass ich meinen Vater zuletzt gesehen habe.«
»Weil er gesucht wird?«
»Nein, vorher schon. Als meine Eltern sich getrennt haben, ist Dad in unserem alten Haus geblieben. Er hat mit Freunden eine Art Aussteigersiedlung gegründet. Das war in Maine. Wir haben ganz einsam gewohnt, an einem riesigen Wald. Kyle und ich waren immer die Ersten, die in den Schulbus eingestiegen sind, und die Letzten, die abends ausgestiegen sind …« Ihre Stimme erstarb, als verliere sie sich in Erinnerungen.
Etwas in der Art, wie sie das erzählte, ließ Christopher unvermittelt spüren, wie sehr sie die Trennung ihrer Eltern immer noch schmerzte. Vielleicht, weil es ein ganz ähnlicher Schmerz war wie sein eigener.
Irritierend, irgendwie.
»Maine.« Er rief sich die Karte der USA ins Gedächtnis. »Das ist die Ostküste. So ziemlich das andere Ende, von Kalifornien aus gesehen.« Und wo befanden sie sich überhaupt, bei der Gelegenheit gefragt? Sie hatten Idaho passiert, aber vermutlich waren sie inzwischen in Montana, einem der am dünnsten besiedelten Bundesstaaten.
Serenity nickte. »Ich glaube, meine Mom wollte so weit wie möglich weg.«
Der Mann kam zu ihrem Wagen herübergeschlendert. Er lächelte sanft und wirkte immer noch harmlos. Serenity drehte die Scheibe herunter.
»Hi«, sagte er. »Ich bin Richard. Du bist Kyles Schwester, hab ich das richtig verstanden?«
Sie nickte. »Ich heiße Serenity.«
»Hi, Serenity.« Er schüttelte ihr durch das Fenster die Hand.
Dann musterte er Christopher mit einem auffordernden Blick, der schon nicht mehr so harmlos wirkte.
»Christopher«, stellte er sich vor. Noch mal Händeschütteln.
»Schön, euch kennenzulernen«, sagte Richard.
Christopher gelang ein schiefes Lächeln. Es war eine Art der Kumpanei, die ihm sehr amerikanisch vorkam und eher gezwungen als locker, wie sie wohl gedacht war.
Andererseits … Er würde es mit diesen Leuten hier eine Weile aushalten müssen. Also spielte er besser mit.
Wenn es nur endlich weitergehen würde!
»Das ist Ann«, fuhr Richard fort und nickte in Richtung der jungen Frau. »Ich schlage vor, ihr setzt euch zu uns. Frische Luft und so. Ich angle ein bisschen, wer weiß, vielleicht gibt’s Fisch zum Abendessen.« Es klang, als rechne er damit, dass sie dann immer noch hier sein würden. Christopher spähte auf die Uhr im Armaturenbrett. Kurz nach drei Uhr. Das konnte ja heiter werden.
Sie stiegen aus. Neben dem Zelt, in Ufernähe, stand ein grob aus Baumstämmen gezimmerter Campingtisch mit Sitzbänken. Am Ufer ragte ein Steg in den See, der seine besten Tage schon lange hinter sich hatte; ein Teil davon war so tief abgesunken, dass ihn das Wasser sanft plätschernd überspülte. Richard balancierte, eine gewaltige Angel in der Hand, auf die am wenigsten wackelnden Balken hinaus, um die Leine auszuwerfen.
»Das wird wieder nichts«, meinte Ann in einem Ton, als befürchte sie, in diesem Fall hungers zu sterben. »Sie beißen hier unten einfach nicht.«
Dann verging einfach nur noch Zeit, quälend langsam, ohne dass sich viel tat. Richard stand auf dem halb versunkenen Steg, holte ab und zu die Leine ein, um sie surrend wieder auszuwerfen. Fische beteiligten sich nicht an diesem Schauspiel. Ann und Serenity machten Konversation, redeten über Platten und Bands, die Christopher nicht kannte, Fernsehsendungen, die ihm auch nichts sagten, belangloses Zeug über Serenitys Schule und Anns College. Im Grunde tauschten sie lauter Nullinformationen aus.
Serenity. Manchmal kam es ihm vor, als mustere sie ihn verstohlen, wenn er gerade nicht hinsah. Auch schon im Auto. Aber sie ließ ihn in Ruhe, fragte ihm keine Löcher in den Bauch. Das rechnete er ihr hoch an. Das war etwas, das man nicht so ohne Weiteres erwarten konnte.
Christopher hörte dem Gespräch der beiden nur mit halbem Ohr zu. Er fragte sich, was jetzt im eigentlichen Camp vor sich gehen mochte. Dadurch, dass Jeremiah Jones die – absolut vernünftige – Strategie verfolgte, keine wichtigen Informationen über die Netzwerke auszutauschen, hatte Kyle ihre Ankunft nicht ankündigen können. Auf welcher Informationsgrundlage wollten sie aber nun entscheiden, was mit ihm geschehen sollte? Im Grunde würde den Ausschlag geben, was Serenitys Bruder zu
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