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Kohärenz 02 - Hide*Out

Kohärenz 02 - Hide*Out

Titel: Kohärenz 02 - Hide*Out Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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den man auch mit dem Schlüssel öffnen konnte – das muntere Blinken, mit dem das Auto einen begrüßte, wenn man es per Fernsteuerung öffnete, wäre jetzt verräterisch gewesen und viel zu grell.
    Seine Hände bebten, fanden das Schlüsselloch kaum. Seine Nerven waren nicht für solche Abenteuer gemacht, ganz eindeutig.
    Dann endlich schwang die Tür auf. Er warf die Tasche auf den Beifahrersitz, ließ sich hinter das Lenkrad fallen, steckte den Schlüssel ins Schloss des Anlassers und dachte in letzter Sekunde daran, die Tür nur heranzuziehen, bis sie mit einem leisen Klacken notdürftig einrastete: Sie richtig zuschlagen konnte er, wenn der Motor lief.
    Atem anhalten, Zündschlüssel drehen und…ja. Der Motor sprang an, schnurrte diensteifrig, bereit, ihn hinzubringen, wohin immer er wollte. Neal Lundkvist zögerte keinen weiteren Augenblick, sondern schaltete in den Rückwärtsgang, gab Gas, schlug die Wagentür im Rückwärtsstoßen richtig zu und fuhr dann davon, dass der Kies unter den Reifen spritzte.
    Die Kinderaugen hinter einem der Fenster, die ihn die ganze Zeit beobachtet hatten, hatte er nicht bemerkt.

Infektion
     
    38 | Christopher erwachte ganz plötzlich, fuhr hoch, versuchte zu kapieren, wo er sich befand und was los war. Im Auto. Er hatte in Kyles Wagen gelegen, auf dem Rücksitz.
    Er war allein, es war kalt und draußen waren Bäume zu sehen. Ein seltsam graues, müdes Licht, wie früh am Morgen. Christopher sah an sich herunter. Ihm fiel wieder ein, wie er umgekippt war, völlig erschöpft. Jemand hatte ihn zugedeckt und die Schuhe ausgezogen hatte man ihm auch. Er begriff, dass er die ganze Nacht hier im Auto geschlafen hatte.
    Kopfweh hatte er. Durst auch. Und er musste pinkeln.
    Mist, das alles. Er hatte irgendwas geträumt, von früher, als noch alles in Ordnung gewesen war. Leider nur ein Traum. Die Wirklichkeit war das hier. Die Kohärenz, die Flucht, der chancenlose Kampf gegen eine Übermacht.
    Dann fiel ihm ein, was gestern passiert war, als sein Chip versucht hatte, sich selbstständig zu machen. Immerhin, er war noch er selber. Er hatte nur ein taubes Gefühl im Kopf, nichts weiter. Kein Feld zu spüren. Sie hatten es also tatsächlich in eine weiße Zone geschafft.
    Christopher fröstelte. Es war unangenehm, in seinen Klamotten geschlafen zu haben; er fühlte sich schmutzig und verklebt, irgendwie juckte und ziepte alles. Er hätte viel für eine heiße Dusche gegeben, aber darauf durfte er vermutlich so schnell nicht wieder hoffen. Heiße Duschen gehörten auch eher in die Vergangenheit, von der er heute Nacht geträumt hatte, als in die Zukunft, die auf ihn wartete.
    Jedenfalls ließ sich das mit dem Pinkeln nicht länger hinausschieben. Er setzte sich vollends auf, suchte seine Schuhe. Sie standen im Fußraum, ordentlich nebeneinander. Wer sie ihm wohl ausgezogen hatte? Kyle vermutlich.
    Er schob die Decke von sich, die ziemlich müffelte, und zog die Schuhe an. Dann öffnete er die Tür.
    Trockene Blätter raschelten unter seinen Füßen, kleine Äste knackten – Geräusche, die in der Stille des Waldes geradezu dröhnten. Ein Stück weiter, halb unter den weit ausragenden, tiefen Wedeln mächtiger Fichten, standen zwei Zelte. Wahnsinn – er hatte nicht das Geringste davon mitbekommen. Sie mussten den Kofferraum hinter ihm ausgeräumt, die Tür wieder zugeschlagen haben, aber er erinnerte sich an nichts.
    Okay, die Blase forderte ihr Recht. Christopher wandte sich in die entgegengesetzte Richtung und stapfte auf ein Gebüsch zu.
    Als er zurückkam, hörte er von irgendwoher leise Stimmen. Und jetzt roch er auch auf einmal Rauch. Er drückte die Wagentür zu und folgte den Stimmen und dem Rauch. Es ging an den Zelten und den Fichten vorbei auf eine kreisrunde, irgendwie verzaubert wirkende Lichtung, auf der die anderen um ein kleines Feuer herumsaßen, auf dem ein Kaffeekessel stand.
    »Guten Morgen«, sagte er. Dann erst sah er das Misstrauen in ihren Blicken.
    Ah ja. Klar. Sie hatten allen Grund, misstrauisch zu sein. An ihrer Stelle wäre er es auch gewesen.
    »Ich bin’s noch«, beeilte er sich also hinzuzufügen. »Hier ist kein Feld. Der Chip rührt sich nicht.«
    Kyle, der gerade dabei gewesen war, das Feuer zu schüren, räusperte sich. »Dann ist es ja gut.« Er schob ein paar Äste in die Flammen. »Setz dich. Willst du auch einen Kaffee?«
    »Ähm… nein, danke.« Kaffee! Christopher würde nie verstehen, wie jemand das bittere Zeug freiwillig trinken konnte.

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