Kohärenz 02 - Hide*Out
sein?
Keine Sorge, hatte die Kohärenz ihn durch Erics Mund wissen lassen. Ich werde dich nicht in der Nacht überfallen.
Warum nicht? Warum verschonte sie ihn, wo sie doch die beiden an sich gebracht hatte?
Vielleicht war es ja auch gelogen. Was wollte er denn machen, wenn sie dennoch kamen?
Er legte den Schlafanzug zurück, legte sich angezogen aufs Bett, ließ die Beine über das untere Ende hinausragen, weil er noch seine Schuhe trug. Er sah an die Decke, lauschte den Geräuschen im Haus. Die Toilettenspülung. Laufendes Wasser. Es kam aus dem nahezu versiegten Bach; deswegen lief immer, wenn der Tank sich weit genug geleert hatte, eine Weile die Pumpe, mit einem leisen Jammern, das bei seinem letzten Besuch noch nicht zu hören gewesen war.
Türen, die geschlossen wurden. Das kaum wahrnehmbare Knarren eines Bettgestells.
Aber kein Wort. Die beiden redeten nicht miteinander. Wozu auch?
Morgen früh… Gerade konnte er sich nicht vorstellen, dass es je wieder Tag werden würde. Er schloss die Augen, lauschte in sich hinein, suchte nach Müdigkeit, aber er fühlte sich, als hätte er zwanzig Tassen starken Kaffees getrunken. Sein Puls raste. Sein Innerstes bebte vor Anspannung. Kein Gedanke an Schlaf.
Er setzte sich wieder auf, blickte zum Fenster. Der Mond schien, die Sterne auch. Man sah nicht viel draußen, aber es war nicht völlig dunkel.
Den anderen würde es genauso gehen. Die Kohärenz holte sich die Angehörigen der Leute um Jeremiah Jones, einen nach dem anderen. Vermutlich als Rache für die Aktion in San Francisco. Seltsam, dass sie nun ausgerechnet ihn verschonte…
Lundkvist fuhr hoch, schnappte nach Luft. Er war ein Idiot!
Dass ihm das erst jetzt wieder einfiel! Christopher hatte ihnen doch erzählt, wie der Chip eingepflanzt wurde. Das Gestell für den Kopf. Diese Injektionspistole, die man durch die Nase in den Kopf schieben musste, um den Chip in unmittelbarer Nähe des Nervus olfactorius einzupflanzen.
So ein Gerät war hier nicht verfügbar, das war der Grund. Und selbst wenn es verfügbar gewesen wäre, wären Patricia und Eric gemeinsam nicht stark genug gewesen, ihn zu bändigen.
Was, wenn die Kohärenz auf Zeit spielte? Was, wenn sich in der Zwischenzeit andere Upgrader hierher aufgemacht hatten, große, kräftige Männer?
Sobald sie mit ihrer Ausrüstung hier waren, würde die Kohärenz nicht mehr reden, sondern ihn sich einfach nehmen.
Ja, er war wirklich ein Idiot.
Hastig legte Lundkvist seinen Schlafanzug zurück in die Reisetasche, stopfte den Waschbeutel hinterher. Es hatte keinen Sinn hierzubleiben; es war der reine Wahnsinn, genauer gesagt. Patricia und Eric konnte er nicht mehr helfen. Der Einzige, dem er noch helfen konnte, war er selber.
Leise. Er musste vor allem leise sein. Er glitt zum Fenster, schob es hoch. Kühle Luft strömte herein. Er fröstelte; erst jetzt wurde ihm bewusst, dass er schwitzte.
Egal. Er nahm die Tasche, hielt sie hinaus, ließ sie ins Dunkel fallen. Er atmete auf, als er das leise, raschelnde Geräusch hörte, mit dem sie im Gras aufkam. Hinterher. Er vergewisserte sich, dass er seinen Autoschlüssel griffbereit in der Tasche hatte, dann kletterte er so geräuschlos wie möglich aus dem Fenster und sprang ebenfalls.
Es war nicht tief und das dichte Wildgras dämpfte den Aufprall. Schnell jetzt. Er tastete umher, bekam seine Tasche zu fassen. Die Geräusche der Nacht umgaben ihn – fernes Zirpen irgendwelcher Insekten, vereinzelte Rufe von Nachtvögeln, leises Rauschen von Baumwipfeln im Wind –, ansonsten war es still. Das Haus lag dunkel und ahnungslos, er musste es nur noch umrunden.
Und dann durfte nichts mit seinem Auto sein…!
Während er an der Hauswand entlangschlich, darauf bedacht, nicht gegen irgendwelche Gartengeräte zu treten, die umfallen und einen Höllenlärm machen würden, überlegte er fieberhaft, ob die beiden irgendwann Gelegenheit gehabt hatten, seinen Wagen funktionsunfähig zu machen. Ihm die Luft aus dem Reifen zu lassen, die Zündkerzen rauszudrehen oder sonst irgendwas, es gab da ja hundert Möglichkeiten.
Nein, sie waren beide den ganzen Abend in der Küche gewesen. Und danach in Patricias Schlafzimmer. Die Haustür hätte er gehört; das feine Quietschen, wenn man das Mückengitter davor öffnete, kannte er.
Mit pumpendem Herzen erreichte er den Vorplatz. Alles war dunkel, die beiden Autos standen da wie kleine schwarze Hügel, kaum voneinander zu unterscheiden. Zum Glück hatte er noch einen Wagen,
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