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Kohärenz 02 - Hide*Out

Kohärenz 02 - Hide*Out

Titel: Kohärenz 02 - Hide*Out Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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allein… und letztlich leben wir auch allein. Alles, was wir tun können, ist, die Nähe zu anderen zu suchen. Das ist nun einmal so. Das Spannungsfeld des Lebens.«
    »Mag sein, dass Einsamkeit der natürliche Zustand des Menschen ist«, sagte nun wieder Erics Mund. Wie bizarr, einen Achtjährigen solche Sätze formulieren zu hören! »Aber ich bin mehr als ein Mensch, auch mehr als die Summe vieler Menschen. Ich bin eine neue Daseinsform, für die die Regeln der alten nicht mehr gelten.«
    »Aber du bist eine Einheit, oder? Du empfindest dich als eine Art einheitliche Person? Oder wie kann ich mir das vorstellen?«
    »Du kannst dir das überhaupt nicht vorstellen.«
    Die unüberhörbare Arroganz ärgerte Lundkvist. »Aber wenn du eines Tages alle Menschen in dich aufgenommen hast, was dann? Dann bist du doch genauso einsam. Nein, noch viel einsamer, denn es wird niemanden mehr geben außer dir!«
    Schweigen. Ausdruckslose Blicke. Hatte er ins Schwarze getroffen?
    »Ich bin die nächste Stufe der Evolution«, erklärte der Mund seines Enkels schließlich. »So, wie sich einst einzelne Zellen zu einem komplexen Organismus vereinigt und dadurch dem Leben ganz neue Möglichkeiten erschlossen haben, schließen sich in mir komplexe Organismen zu etwas zusammen, das so noch nie zuvor existiert hat. Und damit eröffnen sich dem Leben wieder neue Möglichkeiten – Möglichkeiten, die du dir auszumalen überhaupt nicht imstande bist.«
    »Aber die Individuen, die du hierfür heranziehst, verlieren ihre Individualität. Jeder Mensch ist die Summe seiner Erfahrungen, seine Persönlichkeit formt sich im Lauf seines Lebens – doch all das verschwindet.« Lundkvist sah an, was einmal seine Tochter gewesen war, richtete den Finger auf sie. »Das hier war Patricia Batt, geborene Lundkvist. Wo ist sie hin? Es ist nur noch der Körper übrig. Ihre Person, ihre…« – er zögerte, das Wort auszusprechen – »ihre Seele ist verschwunden.«
    Ihre Augen blickten ihn an. Eben noch ausdruckslos, trat auf einmal wieder ein Glanz in sie, den er kannte. Ein abschätziger Blick, ein missbilligender Ausdruck um die Mundwinkel – genau so hatte Patricia immer ausgesehen, wenn ein neuer Streit begonnen hatte.
    »Glaubst du, das ist ein Verlust?«, fragte sie spitz. »Patricia war unglücklich, ihr Leben lang. Was hat sie verloren? Ihr Unglück. Alles andere ist im großen Ganzen aufgegangen, Teil geworden von etwas, das zu beschreiben menschliche Worte nicht ausreichen.«
    Lundkvist schluckte, erschüttert bis auf den Grund seines Wesens. »Patricia? Bist du das jetzt?«
    »Nein. Ich will dir nur zeigen, dass nichts von dem, was du verloren glaubst, verloren ist.«
    »Aber…« Ihm fiel wieder ein, was James Kidd gesagt hatte.
    Teil der Kohärenz zu sein, ist, als wäre man tot – und trotzdem bei Bewusstsein. Man ist ein Geist, der vergessen hat, wer er im Leben war. »Ich würde das gerne glauben können. Dass es Patricia noch gibt. Nicht nur ihren Körper.«
    »Du hast den begrenzten Horizont eines Wesens, das in einen einzigen Körper eingeschlossen ist. Deswegen identifizierst du dich vollständig mit diesem. Doch für mich ist ein Körper nicht mehr wichtig.« Patricias Hände deuteten auf ihre Brust. »Der Tod dieses Körpers wäre für mich nur wie der Verlust einer Körperzelle für dich – schmerzhaft, aber nicht weiter tragisch. Es wäre nicht schlimmer, als wenn du dich beim Rasieren schneidest.«
    »Ich rede doch nicht vom Körper. Ich rede von der Persönlichkeit eines Menschen!«
    »Dann mach dir klar, dass das, was du als deine Persönlichkeit, deinen Geist, dein Bewusstsein empfindest, aus dem Zusammenschluss von Milliarden einzelner Nervenzellen entsteht.« Patricias Zeigefinger deutete auf ihn. »Wo ist die Individualität des einzelnen Neurons? Es gibt sie nicht mehr. Trauern deine Nervenzellen der Vergangenheit nach? Nein – denn sie sind jetzt du!«
    »Aber dieser Zusammenschluss ist über Jahrmillionen hinweg erfolgt. Durch Evolution. Schrittweise«, sagte Lundkvist. »Du dagegen machst es mit technischen Hilfsmitteln. Neuralchips, Mobilfunknetze, Computer, was weiß ich alles.«
    »Na und? Hattest du je etwas dagegen, dass zwischen dem Mund der einen Person und dem Ohr einer anderen ein Telefonsystem geschaltet ist? Nein. Also – was ist der Unterschied, die beiden Personen direkt miteinander zu verbinden und auf den umständlichen, fehleranfälligen Umweg über Sprechen und Zuhören ganz zu verzichten?«
    »Der

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