Kohärenz 02 - Hide*Out
ein träge darüber kreisendes Insekt und dachte: Ja. Das kann man wohl sagen.
Auf einmal kam ihm alles so aussichtslos vor.
All die Monate, die er gebraucht hatte, um seine Flucht aus der Kohärenz vorzubereiten. All die mühsame Arbeit im Schutz der Barriere seines defekten Chips, all das Grübeln, bis er einen Weg gefunden hatte, der es ihm erlauben würde, um die halbe Welt zu flüchten, weil das die einzige Chance war, den verdammten Chip loszuwerden.
Und dann?
Dann hatte er es verbockt.
Er hätte darauf bestehen sollen, dass man ihm den Chip ebenfalls entfernte, spätestens, als sie den seines Vaters herausoperiert hatten. Er hätte es einfach einfordern sollen. Notfalls mit irgendetwas drohen.
Aber er hatte sich anstecken lassen von Jeremiah Jones und seiner Idee, dass er, Christopher Kidd, so etwas wie der vom Schicksal ausersehene Retter der Menschheit sei. So ein Quatsch. Er hatte von der ersten Sekunde an gewusst, dass es Quatsch war. Es gab keine Retter der Menschheit. Es gab vielleicht manchmal Helden, je nach Situation, und manchmal Leute, die Änderungen bewirkten… aber das war es dann auch schon. Darüber hinaus hatte man die Dinge nicht mehr im Griff; niemand hatte das.
Er hatte eigentlich auch nur mitgemacht, weil Serenity ihn darum gebeten hatte und er es irgendwie nicht geschafft hatte, Nein zu sagen. Aber spätestens nach der Aktion im Silicon Valley hätte Schluss sein müssen. Dann hätte ihm die Kohärenz hundert Viren in den Chip pflanzen können, er hätte es nicht mal mehr mitgekriegt. Weg das Ding und er hätte Ruhe gehabt. Zumindest so lange, bis die Kohärenz beschloss, zum ganz großen Schlag auszuholen. Dann hätte er natürlich auch keine Chance mehr gehabt, genauso wenig wie sonst irgendjemand.
Aber das wären dann wenigstens noch ein paar Monate gewesen. Vielleicht sogar Jahre.
Und jetzt? Jetzt stand er wieder genau da, wo er am Anfang seiner Flucht gestanden hatte.
Nein, schlimmer. Denn damals hatte er noch gewusst, wo er Dr. Connery finden würde. Jetzt wusste er nicht einmal mehr das.
Serenity fand es immer noch gewöhnungsbedürftig, wie Christopher bisweilen minutenlang in Grübeleien versank und so aussah, als habe er die Existenz aller Menschen um ihn herum völlig vergessen. Sie schrak zusammen, als er in einer plötzlichen Bewegung seine Schüssel auf den Boden stellte und erklärte: »Ihr müsst ohne mich weiterfahren. Ich gefährde euch nur.«
Die anderen sahen Christopher verdutzt an. Kyle hob die Augenbrauen: »Ah ja? Und was willst du alleine machen?«
»Keine Ahnung«, sagte Christopher, ohne ihn anzuschauen. »Mir wird schon was einfallen. Bisher ist mir immer was eingefallen.«
Es klang alles andere als überzeugend. Es klang, als glaube er das nicht mal selber. Aber – Serenity konnte es kaum fassen – Kyle schien sich das im Ernst durch den Kopf gehen zu lassen!
»Kommt nicht infrage!«, platzte es aus ihr heraus. »Auf keinen Fall fahren wir ohne dich weiter.«
Madonna schlang die Arme um ihren Oberkörper, als sei ihr auf einmal kalt. »Aber es stimmt doch, oder? Er gefährdet uns tatsächlich.«
Waren denn jetzt alle dabei durchzudrehen? »Das ist mir egal«, fauchte Serenity. »Ich lass ihn nicht zurück. Eher bleibe ich auch da. Ich könnte ja sonst mein Leben lang nicht mehr in den Spiegel schauen.«
Christopher sagte nichts, saß nur da, mit krummem Rücken, den Kopf zwischen die Schultern gezogen.
Kyle räusperte sich. »So was machen wir auch nicht. Wir halten zusammen.«
»Ich bin eine Gefahr für euch«, wiederholte Christopher störrisch.
George Angry Snake hob ruckartig den Kopf. »Wir haben’s gehört«, blaffte er, worauf Christopher noch ein Stückchen mehr in sich zusammensank.
Kyle stellte seinen Kaffeebecher beiseite. »Okay. Lasst uns überlegen, wie wir weiter vorgehen.« Er zog eine Straßenkarte aus der Innentasche seiner Jacke, faltete sie auf und legte sie dann in die Mitte, dass alle sie sehen konnten. »Unsere Planung ist natürlich völlig durcheinandergekommen. Hierher wollte ich gestern«, sagte er, deutete auf einen Punkt und verschob den Finger dann ein gutes Stück Richtung Westen. »Und hier sind wir jetzt. Mit anderen Worten, wir schaffen es heute unmöglich bis zum Treffpunkt. Was nicht so tragisch ist; dann kommen wir eben morgen an. Ich werde unterwegs versuchen, Dad eine Nachricht zukommen zu lassen.«
Serenity überlegte, wie er das machen wollte. Vermutlich lief das so ähnlich wie damals, als
Weitere Kostenlose Bücher