Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Kohärenz 03 - Time*Out

Titel: Kohärenz 03 - Time*Out Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
Vom Netzwerk:
Serenity ab und suchten, der Wegbeschreibung folgend, die ihnen Guy gegeben hatte, den Supermarkt.
    Das war ein modernes, langweiliges Gebäude, das unter Garantie in keiner Filmszene auftauchen würde. Es stand auf einem hässlichen Hinterhof, auf dem sich Müllcontainer, ein Lager von Gasflaschen und parkende Autos drängten. Drinnen sah es aus, wie Supermärkte überall auf der Welt aussehen; obwohl sie die Schilder nicht lesen konnten, war es kein Problem, sich zurechtzufinden.
    »Wie wird sich Dylan eigentlich melden?«, fragte Serenity, über das Gemüse gebeugt. »Wenn mit der Flucht alles geklappt hat, meine ich.«
    »Gar nicht«, erwiderte Christopher.
    »Ist das dein Ernst?«
    Christopher betastete die Auberginen. »Wir könnten von hier aus eh nichts machen. Entweder es klappt, oder es klappt nicht.«
    »Aber ich würde mir weniger Sorgen machen!«
    Er hob die Schultern. »Ja. Okay. Bloß haben die davon nichts, dass du dir Sorgen machst.«
    Das hatte sie nicht hören wollen, er spürte es. Ihre Miene verschloss sich, während sie Zwiebeln und Tomaten und zwei frische Baguettes in den Korb lud. Als sie beide dann ratlos vor einem ungeheuren Regal voller Weinflaschen standen, erklärte sie: »Ich mach mir eben Sorgen. Nicht zu einem bestimmten Zweck, sondern einfach so.«
    »Ich sag ja auch nicht, dass du dir keine machen sollst«, erwiderte Christopher und entschied sich aufs Geratewohl für eine Flasche, die ihm nicht zu teuer schien.
    Auf dem Rückweg fiel ihm eine Kneipe auf, ein dubios wirkendes Bistro, neben dessen zerschrammter Eingangstüre ein Schild mit der Aufschrift »Internet-Café« hing.
    Serenity bemerkte es auch. »Wir könnten Madonna eine E-Mail schreiben. Die Adresse weiß ich noch auswendig.«
    »Bloß nicht. Wenn es dumm läuft, würden wir die Kohärenz genau damit auf deren Spur bringen.«
    Serenity seufzte und schwieg den Rest des Weges.
    Als sie zurück zum Wohnmobil kamen, saß Guy gemütlich auf der untersten Treppenstufe des Eingangs, die Füße von sich gestreckt, und rauchte genussvoll ein Zigarillo. Das Autoradio lief. Es war ein Anblick, der auch den misstrauischsten Verfolger überzeugt hätte, es mit einem Urlauber zu tun zu haben.
    »Oh, bitte nicht«, rief Serenity, als er aufstehen wollte, um die Musik auszuschalten. »Ich würde gerne ein bisschen Musik hören. Falls es euch nicht stört«, fügte sie verlegen hinzu.
    »Mich nicht«, sagte Christopher. Radiogedudel konnte er ausblenden, wenn er an einer Tastatur saß; das war kein Problem.
    »Wer könnte einer so schönen Frau einen so schlichten Wunsch abschlagen?«, erwiderte Guy dagegen schmalzig. Zu Christophers Missfallen schien sich Serenity geschmeichelt zu fühlen. Jedenfalls lächelte sie ziemlich!
    Sie machten sich wieder an die Arbeit. Zum Glück gab es etliche Passagen, in denen nichts weiter geschah, als dass Guy ein Buch las. Oder im Kino saß und sich einen Film ansah. War das verrückt – der komplette Film als wackeliges, überhelles Rechteck, dazu ein blecherner, übersteuerter Ton, der zudem anfangs überlagert wurde von Guys Kaugeräuschen, bis er seine Popcornschachtel geleert hatte. Oder die Sequenzen, die einfach nur zeigten, wie er im Bett lag und schlief. Sieben, acht Stunden Video, zum größten Teil so dunkel, dass man überhaupt nichts erkennen konnte.
    So sah das also aus, wenn er seine Brille am Ladegerät hatte. Christopher spulte vor, so schnell es ging. Ein paar Blitze zuckten durchs Bild, wenn ein Auto am Hotel vorüberfuhr und die Scheinwerfer Lichtflecken an die Decke warfen. Schließlich dämmerte es, und man sah, wie Guy aufstand. Das Erste, was er machte, war, die Brille aufzusetzen und ins Klo zu gehen. Wo er pinkelte, den Blick strikt auf die Kacheln gerichtet.
    Das Irrste war, ihm zuzusehen, wie er die Videoaufnahmen der letzten paar Tage auf seinen Computer überspielte, sie sichtete und klassifizierte und dann der Moment kam, in dem man sah, wie er eine Aufnahme sichtete, auf dem man sah, wie er Aufnahmen sichtete. Und auf diesen Aufnahmen kam auch wieder ein Moment, in dem man ihn frühere Aufnahmen sichten sah! Ob es wohl, überlegte Christopher, einen Augenblick gab, in dem diese Rekursion zurückging bis zum allerersten Video, das er nach diesem System angelegt hatte?
    Es verdrehte einem den Kopf, darüber nachzudenken. War es deswegen Kunst? Vermutlich.
    Am meisten zu diskutieren gab es, wenn sie es mit Aufnahmen zu tun hatten, auf denen Guy in Berlin unterwegs war. Er

Weitere Kostenlose Bücher