Kohärenz 03 - Time*Out
traf Leute, ging mit ihnen essen oder überflog an einem Zeitungskiosk die Schlagzeilen der Zeitungen: Das waren die Szenen, denen sie die größte Aufmerksamkeit widmen mussten. Serenity entdeckte einen Moment – es war der Donnerstagvormittag gegen halb elf –, in dem Guy an jemandem vorbeiging, der etwas in ein geöffnetes Notizbuch kritzelte.
Sie verbrachten eine Stunde damit, das beste Bild herauszusuchen, zu vergrößern und so zu bearbeiten, dass man lesen konnte, was der Betreffende, ein junger Mann mit schlimmer Akne, geschrieben hatte: Er hatte sich von dem Schild einer Hautarztpraxis, vor der diese Begegnung stattgefunden hatte, die Öffnungszeiten notiert.
Schließlich räumten sie die Computer weg und machten sich ans Abendessen. Es gab Ratatouille mit Baguette und viel Knoblauch. »Gut gegen Vampire«, meinte Guy und zwinkerte Serenity zu, die damit beauftragt war, den Knoblauch zu schälen.
Es schmeckte gut. Guy schenkte ihre Weingläser nach, als habe er vor, sie zu Alkoholikern zu erziehen. Und je leerer die Flasche wurde, desto anzüglicher wurden die Komplimente, die er Serenity machte. Dass sie eine gefährliche Frau sei, so, wie sie mit Messern umgehe. Dass Christopher hoffentlich wisse, was für ein Glückspilz er sei. Dass Rotwein schön mache, was sie gar nicht nötig habe. Und so weiter. Es ärgerte Christopher, aber als er einmal aufbegehrte, hielt Guy ihm einen langen Vortrag über die italienische Seele und wie es italienischen Männern im Blut liege, die Frauen zu verehren.
Es ärgerte Christopher trotzdem. Vor allem, weil Serenity das Gesülze zu gefallen schien. Und weil es immer mehr so aussah, als sei seine schöne Theorie, was die Kohärenz betraf, ein Schuss in den Ofen.
Aber als sie endlich im Bett lagen, küsste ihn Serenity so lange und so heiß, dass alles wieder gut war. Abgesehen davon, dass es einmal mehr beim Küssen blieb.
Der Sonntagmorgen begann mit einer Diskussion. »Je länger wir suchen, desto weniger kapiere ich, wonach eigentlich«, gestand Serenity und Guy räumte ein, dass es ihm allmählich genauso gehe.
»Das weiß ich auch nicht«, sagte Christopher. »Sonst wär's ja einfach. Wir suchen irgendeine Information. Wie die aussieht – keine Ahnung. Wenn wir das wüssten, bräuchten wir nur Guys Bildauswertungsfunktionen drüberlaufen lassen. Aber Informationen können nun mal fast jede Form annehmen. Ich stelle mir vor, dass es irgendetwas ist, das vielleicht nur am Rand des Bildes zu sehen ist, etwas, das Guy gar nicht bemerkt hat.«
»Meinst du irgendeine Art Passwort?«, hakte Serenity nach.
»Nein. Ein Passwort kann man ändern. Deswegen würde die Kohärenz nicht so eine große Verfolgungsjagd inszenieren.« Christopher seufzte. »Es muss was anderes sein. Ich hab keine Vorstellung, was. Nur, dass die Kohärenz mitgekriegt haben muss, dass Guy diese Information besitzt. Und dass es sich um eine Information handeln muss, die ihr gefährlich werden kann.« Aber vielleicht irrte er sich auch einfach. Vielleicht waren sie komplett auf dem Holzweg und der ganze Aufwand für die Katz.
Guy sah plötzlich auf die Uhr, stand auf. »Freunde, was auch immer ihr sucht, ihr müsst es ein, zwei Stunden lang ohne mich tun.« Er eilte nach hinten, kehrte mit seinen Schuhen zurück, schlüpfte hinein. Dann begann er, sich zu kämmen.
»Was ist los?«, fragte Christopher. »Du wirkst, als hättest du eine Verabredung.«
»Im weitesten Sinne.« Guy betrachtete sich im Spiegel, drehte den Kopf hin und her, schien mit dem Anblick zufrieden. »Sophie Lanier kommt heute in Locmézeau an. Darauf warten eine Menge Fans, klar. Aber im Gegensatz zu denen weiß ich, wo und wann sie ankommt, in welchem Hotel sie untergebracht ist und in welchem Zimmer und durch welchen Eingang man sie reinschmuggeln wird.« Er schlüpfte in ein elegantes beigefarbenes Jackett. »Und da will ich dabei sein. Was heißt, dass ich mich rechtzeitig in Position bringen muss.«
Christopher fiel die Kinnlade runter. Er wusste nicht, was er sagen sollte.
Guy öffnete die Tür, zwinkerte ihnen zu. »Ihr werdet euch schon nicht langweilen, hmm?« Damit ging er.
Christopher sprang auf, als die Tür ins Schloss gefallen war. Er spähte aus dem Fenster und verfolgte, wie Guy beschwingt und nur ganz unmerklich humpelnd in Richtung Dorf davonspazierte.
Er drehte sich um, schaute Serenity an, die auf einmal große Augen machte.
»Komm«, sagte er. Klang seine Stimme plötzlich heiser?
Egal. Serenity
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