Kohl des Zorns
Ketten rutschten über das Pflaster und rissen die Bordsteine weg, doch sie fanden keinen Halt.
Dschungeljohn saß über die Steuerknüppel gebeugt. »Das ist verdammt merkwürdig«, sagte er zwischen zusammengebissenen Zähnen hindurch. »Irgend etwas scheint uns festzuhalten.«
»Gib mehr Gas!« kreischte sein Bruder Langhaardave. »Gib mehr Gas!«
»Das tu’ ich doch schon die ganze Zeit! Das tu’ ich doch schon! Was geht hier vor?«
Hugo Rune legte eine mächtige Hand auf die Schulter des Inspektors.
»Auf diese Weise erreichen Sie gar nichts, das habe ich Ihnen doch schon gesagt.«
»Überlassen Sie den Zaun ruhig mir!« fauchte Hovis und schüttelte die dicken Wurstfinger ab. »Ich bringe uns auf das Grundstück, und Sie verschaffen uns Zutritt in den Gasometer.«
»Meinetwegen. Viel Spaß dann noch.«
Der Bulldozer krachte einmal mehr wuchtig gegen den Zaun, und diesmal ging ein Funkenschauer aus Elektrizität durch das Vehikel, zerschmolz das Zündsystem und setzte die Haarpracht des Fahrers in hell leuchtende Flammen. Das einstmalige Abrißteam sprang, heulend und wild auf die Flammen einschlagend, aus der Kabine. Der Bulldozer fing an, sich im Kreis zu drehen, und die Baggerschaufel hob und senkte sich unablässig.
Meek kurbelte das Fenster herunter. »Zurück!« rief er den schutzbrillenbewehrten Polizisten im Konvoi hinter sich zu. »Zurück!«
Selbstverständlich gingen seinen Worte im Aufheulen der mächtigen Bulldozermaschine unter. Der Bagger fuhr über die Motorhaube des vordersten Wagens. Meek warf sich aus der Tür, als das schwarze Fahrzeug über das Dach kletterte und sich daran machte, den nächsten Wagen unter seinen Ketten zu zermalmen. Hovis hüpfte wie ein Springteufel umher, brüllte Befehle in das Megaphon und schwang die Maschinenpistole. Meek beobachtete voller Entsetzen, wie der Bulldozer die gesamte Reihe von Einsatzfahrzeugen in unkenntlichen Schrott verwandelte.
Rune wandte sich auf dem Absatz um und schlenderte pfeifend durch die Straße davon, auf den Lippen eine Melodie eigener Komposition.
»Jetzt, Jim!« rief Professor Slocombe. Jim fummelte am Stopfen des Flakons und ließ ihn fallen. Er polterte aus dem Ring heraus.
»Dieses kleine Ablenkungsmanöver hat nicht gefruchtet. Leb wohl, Professor!« rief Kaleton, die Seele der Welt.
Jim warf sich auf den silbernen Flakon. Als er den Kreis verließ, wurde er von Dunkelheit umschlossen, und die Welt hörte auf zu existieren.
Pooley kam taumelnd auf die Beine und wischte die abgerissenen Halme von langem, rauhem Gras von seiner Kleidung. Das Land ringsum erstreckte sich endlos in alle Richtungen, eine flache Tundra, deren Eintönigkeit von den spärlich verstreuten knorrigen schwarzen Bäumen noch verstärkt wurde. Irgendwo in der Nähe verlief ein Fluß, doch Jim konnte ihn nirgends erspähen. Er schirmte die Augen gegen das merkwürdige purpurne Schimmern des Himmels ab und suchte nach einer Ortschaft oder vielleicht sogar einem Gasthof, doch vergeblich. Es gab nichts. Oder doch, es gab etwas.
Herangetragen von einem Wind, der so leicht war, daß er kaum das Gras wiegte, vernahm Jim die schwachen Geräusche von Gesang. Und dann das Klingeln von Glocken, das Rasseln von Geschirren, das Hufgeklapper schwerer Pferde und das Knarren von Holzrädern. Eine Prozession wand sich in seine Richtung, und die Menschen neben den Wagen schwangen Rauchfässer und intonierten den Gesang. Ihre Kleidung bestand aus einfachem braunem Sackleinen, verschmutzt von den Mühen einer langen Reise, ihre Füße waren nackt, die Gesichter ernst. Diese Männer und Frauen waren erschöpft. Sie waren viele, viele Meilen ohne Rast gewandert, und sie stolperten und taumelten, doch sie marschierten unermüdlich weiter.
Pooley beobachtete sie traurig, während sie an ihm vorüberkamen. Die mächtigen Pferde ließen die Köpfe hängen, und ihre Flanken waren naß. Die Wagenräder drehten sich in unrunden Kreisen. Die ungleichen Speichen waren mit den Zeichen der Tierkreise bemalt. Jims Blick fiel auf die Personen, die hoch oben auf den hochbordigen Wagen saßen: hexengesichtige Frauen mit Kinnbärten und tätowierter Stirn. Und er erhaschte einen Blick auf die Schätze, die sie bewachten und mit sich führten: Auf Heubetten lagen Kinder, Neugeborene, doch bis ins Groteske angeschwollen, groß wie Ochsen und mit grauer, stumpfer Haut. Die Kinder des Großen Volkes. Die Letzten ihrer Linie. Sie kreischten und weinten, und in ihren Augen stand
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