Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kohl des Zorns

Kohl des Zorns

Titel: Kohl des Zorns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Rankin
Vom Netzwerk:
Lichtschein hüllte die beiden Gestalten tief unten im Rund ein, die dem angsterfüllten Jim wegen der Entfernung winzig erschienen. Pooley zog den Korken aus dem Flachmann.
    Über die Lippen des Professors drangen die Silben eines uralten Spruches:
     
    »Und der gute König Bran hatte eine Kampfaxt,
    König Balin ein mächtiges Schwert,
    Die Kriegerkönige ritten hinaus in die Schlacht,
    Und sie trafen sich an der Furt.«
     
    Und dann entstand Unruhe und Lärm. Unterhalb Brentfords schienen die Eingeweide der Erde mit einem Mal lebendig geworden zu sein. Der junge Hund des Alten Pete setzte zu einem langanhaltenden Heulen an, das sein schnarchendes Herrchen geflissentlich ignorierte; der Alte hatte den Hartnell Hörapparat für die Nacht abgeschaltet. An der Pumpenstation ächzte die gewaltige viktorianische Dampfmaschine verloren vor sich hin. Und unterhalb des Wasserturms rührte sich etwas. Unter dem steinernen Turm regten sich Mächte, die lange, lange Zeit in tiefem Schlummer gelegen hatten. Ein Geräusch, ein drängender Ruf, und sie erwachten.
    Vor dem Tipi im unteren Teil des Schrebergartens beendeten zwei Tapfere ihren Tanz und standen schwitzend im fahlen Licht der Sterne. Ihre Gesichter schimmerten.
    »Und jetzt fängt es an«, sagte Paul Geronimo zu seinem Bruder Barry. »Der Tanz ist vorüber. Die Großen Alten kehren zurück. Jetzt geht’s los!«
    Und das ging es.
    Hinter der vergilbten Firnis alter Porträts, die seit einem Jahrhundert ungesehen in den Kellern des Rathauses lagerten, blinzelten Augen und kam Leben in Gesichter. Staubige Folianten und spinnwebenverhangene Wälzer wurden wie von Geisterhand aufgeschlagen, Seiten wurden umgeblättert. Aus den Truhen des Museums griffen staubig-trockene Hände nach draußen und packten rostige Waffen, verrottende Hellebarden, Lanzen und Kriegsschwerter. Erinnerungen, die seit einem Millenium nicht mehr angetastet worden waren, die in alten Gemäuern und zerbröckelnden Fassaden geruht oder unter grasigen Hügeln, in Dolmen, Felsengräbern und heiligen Hainen gewartet hatten, wurden nun lebendig. Und die Krieger hinter diesen Erinnerungen wurden wach und kehrten zurück. Die Krieger erhoben sich aus ihren unmarkierten, längst vergessenen Gräbern.
    Durch Wände und Böden, durch Treppenhäuser und Fensterstürze aus alten, abgetretenen Steinplatten, durch gepflasterte Höfe atmeten die Krieger Leben. Durch den Makadambelag hindurch, der die alten Wege bedeckte und den Boden Brentfords verschlang, wo sich einst taubenetzte Heckenreihen und gelbe Kornfelder mit reicher Ernte bis zur Themse dahingezogen hatten, kam König Bran.
    Bran der Tapfere. Der Gerechte, der Schlachter. Bran mit dem großen Kopf, der noch lange Jahre weiter gesprochen hatte, nachdem er ihm vom Rumpf geschlagen worden war. Bran mit den mächtigen Armen, die Männer gebrochen und Kinder gewiegt hatten. Bran mit den wilden blauen Augen und der noch wilderen Frisur. Bran der Gesegnete. Bran von Alt England. König Bran von Brentford.
    Es war eindeutig König Bran! Seine mächtige Hand umklammerte den Stiel der Kriegsaxt und zog das Instrument aus der Schauvitrine des Museums. Er hob die Waffe hoch über den Kopf, streckte die Arme, jene Arme mit den stählernen Muskeln und den dicken, straffen Sehnen. Und er hob den mächtigen Kopf mit den wilden blauen Augen, den dichten Koteletten und der völlig unmöglichen Frisur. Und stieß einen triumphierenden Schrei aus: »Zu den Waffen! Zu den Waffen!«
     
    Runes Räuber wurstelten in den Schatten des großen Gasometers herum, als unter ihren Füßen ein seismischer Tremor spürbar wurde.
    »Irgend etwas geht hier vor!« stellte Inspektor Hovis fest. »Rune, machen Sie augenblicklich diese Tür auf, oder ich lehne jegliche Verantwortung für die nächsten Ereignisse ab.« Er richtete seine Dienstwaffe auf den Mystiker. »Beeilung jetzt, oder …«
    Rune warf die Arme in die Höhe und wandte sich voller Verzweiflung an den Gasometer. »Sesam öffne dich!« rief er. »Sesam öffne … dich!«
    Inspektor Hovis hob seine alte Dienstpistole. »Sie verdammter Schwachkopf!« fluchte er.
     
    »Und der gute König Bran besaß eine schneeweiße Stute!«
    Die Krieger stiegen auf ihre Reittiere. Auf Stuten, die unvermittelt aus dem Staub von Jahrhunderten wiederauferstanden waren, reanimiert von der beschwörenden Formel des alten Gelehrten. Die Reitersmänner setzten sich in Bewegung.
    Sie ritten aus der Arena hinaus in Richtung des Unterschlupfs, wo

Weitere Kostenlose Bücher