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Kohl des Zorns

Kohl des Zorns

Titel: Kohl des Zorns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Rankin
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Schattenspur verwandelte das antike Gasometer, die Mietskasernen, das Arts Center und die alten Eichen auf der Flußinsel in zerbrechliche, theatralische Skulpturen.
    Aus dem schwarzen Schatten des Gasometers glitt wie aus dem Nichts ein Automobil von noch tieferem Schwarz. Das kleine, schiefe Gesicht hinter dem Lenkrad war kaum zu sehen. Auf dem Kopf des Zwerges saß eine Chauffeurskappe, und winzige behandschuhte Hände steuerten die lautlose Limousine in Richtung der Ealing Road. In unregelmäßigen Abständen schien sich der Wagen zu schütteln, und jedesmal zuckte der Chauffeur zusammen. Im Fond ging irgend etwas Furchterregendes vor. Schläge prasselten auf die Sicherheitstrennscheibe hinter dem Chauffeur, und eine Reihe mächtiger Erschütterungen, als würde etwas Schweres hin- und hergeworfen, ließ die dunkle Limousine erzittern. Der Chauffeur preßte das Gaspedal nieder.
    »Sei endlich still!« flüsterte er. »Bitte, sei endlich still!« Ein spitzer, kleiner Zahn penetrierte seine Unterlippe, und ein dünner Blutfaden rann am vorgestreckten Kinn hinab. Ein erstickter, röchelnder Todesschrei drang aus der verkrüppelten Kehle des unsichtbaren Passagiers im Fond, und ein merkwürdiger Geruch breitete sich im Wagen aus. Ein Geruch, der fremdartig, furchterregend und unheilig zugleich war.

Kapitel 12
     
    Diejenigen unter den Wahrsagern, Wetterkundigen, Altweibergeschichtenerzählern und einheimischen Schafhirten, die sich am roten Himmel des Abends erfreut hatten, fühlten sich sicher genug, um einen weiteren wunderschönen nächsten Tag vorherzusagen. Sie erwachten jedoch an einem Samstagmorgen, der sich als Wendepunkt, wenn nicht gar als ausgesprochene Wasserscheide in der gesamten Geschichte der Gemeinde herausstellen sollte. An diesem Tag nämlich sollten sich die Augen der gesamten Welt auf das idyllische Brentford richten.
    Einige allerdings wußten bereits, was kommen würde. Bob der Buchmacher zum Beispiel, der dem heraufdämmernden Morgen zugesehen hatte und der selbst jetzt mutterseelenallein in seinem Buchmacherladen saß und bitterlich in sein Ginglas weinte.
    Oder Jennifer Naylor, die bei Austern in Armagnac und frittierten Wachteln mit Gänseleberpastete einen höchst angenehmen Abend im Comfy Canard verbracht hatte — alles auf Kosten von Inspektor Hovis, versteht sich. Zur großen Überraschung Jennifers hatte sich der berühmte Detektiv nicht nur als angenehmer, gebildeter Gesprächspartner, sondern darüber hinaus auch als Gourmet allerersten Ranges erwiesen.
    Oder die beiden Geronimo-Zwillinge, die auf eine geheime Mission entsandt worden waren. Eine Mission, die nach den Worten von Inspektor Hovis die Gerissenheit des eingeborenen Kojoten, den Scharfblick des Bergadlers, das Herz eines Schwarzbären, die Ohren eines Präriehasen und die Klugheit des ringelschwänzigen Opossums erforderte.
    Doch für die meisten war die Olympische Sonderausgabe des Brentforder Merkur mehr ein terminaler Schock als eine angenehme Überraschung. Herabgesunkene Unterkiefer, hervorquellende Augen, zerrissene Pyjamahemden und zusammengebrochene Telephonleitungen waren das Ergebnis der ersten Gerüchte von etwas, das die gesamte Gemeinde erfaßte und ansonsten euphemistischerweise immer unter dem Sammelbegriff ›öffentliche Unruhen‹ verstanden wird.
    Manch einer, wie zum Beispiel der international anerkannte Journalist Gary Jenkins, roch den Braten und kehrte wieder zu seiner schlafenden Partnerin zurück. Andere, und zu dieser geldgierigen Gruppe gehörten ohne Zweifel auch John Vincent Omally und seinesgleichen, rochen nichts weiter als Druckerschwärze und Dollarnoten.
    Um zehn Uhr stand das Büro des Merkur unter Belagerung. Die Massen quollen von den Bürgersteigen und blockierten die Hauptstraße in beide Richtungen. Der Verkehr kam zum Erliegen. Hupen hupten, Hörner bliesen, Blasphemien wurden ausgetauscht, Schmähungen erreichten nie gekannte Intensität.
    Der Herausgeber des Merkur, längst in einem Stadium fortgeschrittenen Deliriums, beschimpfte von seinem offenen Fenster aus die Massen unten in der Hauptstraße, und die Massen antworteten mit schrillen Pfiffen und höhnenden Buhrufen und dem Schwenken improvisierter Banner. Der größte Teil der herausgeberischen Worte ging im allgemeinen Tohuwabohu glatt unter, und die Liebhaber der Mimik wußten mit seinen dramatischen, wenngleich unverständlichen Gesten kaum mehr anzufangen.
    Das Büro des Brentforder Merkur lag kaum hundert Yards von der

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