Kohl des Zorns
eingeladen war und wann. Die Namen verschiedener Größen aus Kunst, Literatur, Wissenschaft und den Medien tauchten auf. Ihre Unterstützung, die als essentiell für den Gesamterfolg des Projekts galt, war unter allen Umständen sicherzustellen. Auch die Geldbeträge, die dazu im einzelnen erforderlich waren, standen in schmaler Computerschrift daneben.
Da man Schwierigkeiten mit einheimischen Umweltschützern, Traditionalisten, Reaktionären und anderen Spielverderbern befürchtete, hielt man es für klüger, den Beginn der Arbeiten um einen Tag vorzuziehen. Darüber hinaus würden die Arbeiten auf allen fünf Baustellen gleichzeitig beginnen.
Jennifer schüttelte ihren wunderschönen Kopf vor Staunen über die Fähigkeiten des geheimnisvollen Organisators. Das Gespür und die Menschenkenntnis, die sich hier zeigten, faszinierten sie immer wieder aufs neue. Und seit ihrer ersten Berührung mit diesem phantastischen Projekt hatte sie einen dumpfen Schmerz verspürt, einen Drang, einen Hunger, der nur durch eine einzige Sache befriedigt werden konnte: Irgendwie, irgendwo, auf irgendeine Weise mußte sie die Person kennenlernen, deren Genius hinter alledem steckte. Irgendwie, irgendwann mußte es sich doch einrichten lassen, daß ihre Wege sich kreuzten. Und dann würde man sehen, was man sehen würde.
Ehrfurchtsvoll blätterte sie die erste Seite der Computerausdrucke um und bemerkte zu ihrem weiteren Erstaunen eine Liste mit der Überschrift:
ANDERSDENKENDE:
SICHERHEITSRISIKEN DER KLASSE A.
Und darunter, in Rot eingekreist, lediglich zwei Namen.
Wenngleich zwei Namen, die sie fast so gut kannte wie ihren eigenen: James Arbuthnot Pooley und John Vincent Omally.
Die beiden Andersdenkenden schwelgten in einem herzhaften Frühstück. Sie hatten gebadet, laut schnarchend ausgeschlafen und saßen nun in ihren frisch gereinigten Klamotten im Eßzimmer des Professors vor einer wunderbar reichhaltigen Mahlzeit.
Das ältliche Faktotum des Professors, Gammon, hob die silberne Glocke vom Brotkorb und erkundigte sich, ob alles zur Zufriedenheit der beiden Gentlemen sei.
»O ja, das ist es!« strahlte Pooley. Er wischte sich mit der Serviette über das Kinn und bereitete einen Sturmangriff auf die Croissants vor.
Omally trank Kaffee und beobachtete Professor Slocombe aus den Augenwinkeln. Irgend etwas lag in der Luft, soviel stand fest. All diese unverdiente, unverlangte Gastfreundschaft … was heckte der alte Gelehrte nur wieder aus?
»Und jetzt, meine Freunde«, begann der Professor, als antworte er auf Omallys ungestellte Frage, »werde ich euch verraten, wie ihr euch für meine Gastfreundschaft revanchieren könnt.« Omally drehte die Kaffeetasse zwischen den Fingern, und Jim aß einfach weiter. »Ihr werdet beide euer bisheriges Leben ändern«, fuhr der Professor fort. »Unehrlichkeit und Falschheit sind ab sofort bedauerliche, aber abgeschlossene Kapitel in euer beider Geschichte. Von heute an heißt euer Motto Nächstenliebe. Gute Taten werden das Maß sein, an dem andere euch messen werden. Ehrliche Arbeit ist von heute an euer Los.«
»Die Unterhaltung mit Ihnen ist wie stets eloquent«, erwiderte John. »Ihr Standpunkt ist klar und deutlich angekommen, und wir werden uns in Zukunft anständig benehmen.«
»Das werdet ihr« sagte der Professor. »Euer Benehmen wird vorbildlich sein.«
»Ganz sicher«, sagte Jim. »Darauf können Sie einen lassen.«
»Gut. Diese Gewißheit beruhigt mich im Grunde meines Herzens. Deswegen wird auch das Ritual, das ich nun vollziehe, nur noch eine rein symbolische Geste.«
»Aha?« machte Pooley. Mit einem Mal ergriffen ihn Zweifel.
»Ja.« Professor Slocombe kramte in seinem Hausmantel und zog Pooleys Tabaksdose hervor.
»Oh, danke sehr«, sagte Pooley und wollte aufstehen.
»Nein, Jim. Ich werde sie behalten.« Pooleys gequälter Gesichtsausdruck entging Omally keineswegs.
»Gehe ich richtig in der Annahme, daß diese Dose mehr als Tabak und Blättchen enthält?«
Jim sank in seinem Stuhl zusammen. »Tabak, Blättchen und einen Wettschein, Sir.«
»Dachte ich’s mir.« Professor Slocombe ließ die Dose mehrere Male von einer Hand in die andere gleiten. Keiner seiner beiden Frühstücksgäste sah sie verschwinden, doch plötzlich war sie trotzdem weg.
»Eine symbolische Geste, weiter nichts«, wiederholte der Zauberer. »Der Wettschein wird die wenigen Wochen bis zum Beginn der Olympischen Spiele in meinem Gewahrsam verbleiben. Und während dieser
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