Kohl des Zorns
sagte er.
»Willst du es noch einmal versuchen?«
»Muß ich?«
Professor Slocombe neigte seinen alten weißhaarigen Kopf.
»Die Schnelligkeit der Gedanken täuscht manchmal das Auge«, sagte er rätselhaft. Er kehrte zum Schreibtisch zurück, und bevor er in seinem Stuhl saß, steckte er wieder in seinen ursprünglichen Kleidern. Omally sah nicht, wie er es machte. »Eine Illusion, John. Ein Taschenspielertrick, weiter nichts. Ich hoffe, du verstehst, worauf ich hinauswollte.«
»Es war kein Affe!«
»Nun ja . Wenn es in der Explosion verschwand, werden wir es wohl nie erfahren.«
»Da haben Sie vermutlich recht«, sagte Omally. Seine Hand legte sich einmal mehr um den Hals der Karaffe. »Wenigstens etwas.«
»Wenigstens etwas?« Der Professor beugte sich über seinen überfüllten Schreibtisch und fixierte Omally mit glitzernden Augen. »Ich glaube, du begreifst immer noch nicht den Ernst der Situation, John. Die Ungeheuerlichkeit dessen, was du unternommen hast, um deine elende Haut zu retten!«
»Ich glaube nicht, daß ich …«
»Du hast eine Bombe gebaut und bist damit durch die Straßen von Brentford gelaufen, um die Beweise für deine ungesetzlichen Aktivitäten zu vernichten! Ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, ob du jemanden verletzen oder welchen Schaden du fremdem Besitz zufügen könntest, falls diese Bombe unbeabsichtigt in die Luft geht! Und du hast allerwenigstens ein Tier auf dem Gewissen, das wahrscheinlich einem Schausteller entlaufen ist oder ein geliebtes Haustier war!«
»Aber …«
»Kein Aber, John! Das Zünden einer Bombe auf einem der olympischen Baugrundstücke stellt einen einzigartigen Akt von internationalem Terrorismus dar! Und als würde das allein nicht reichen, bist du auch noch direkt verantwortlich für den möglichen Tod deines besten Freundes! Ist das vielleicht das Wenigstens, von dem du gesprochen hast?«
Omally vergrub das Gesicht in den Händen.
»Und dann kommst du her zu mir«, fuhr der alte Mann fort, »um mich an unsere langjährige Freundschaft zu erinnern und zum Mitwisser an deinen unglaublichen Verbrechen zu machen! Was hast du zu deiner Verteidigung vorzubringen, bevor ich die Polizei anrufe?«
Omally starrte den Professor mit bitteren Blicken an. Seine Augen glänzten feucht, und seine Lippen bebten. »Ich bin zu Ihnen gekommen, weil Sie der einzige Mensch sind, dem ich vertrauen kann. Der einzige, den ich respektiere. Ich habe Ihnen alles gesagt und nichts verschwiegen.«
»Und was soll ich nun tun? Vielleicht mit einem Zauberstock winken und dich von deinen Verbrechen freisprechen? Drei Ave Marias und ein Vaterunser?«
»Ich brauche Ihren Rat.«
»Den kannst du haben. Geh zur Polizei und stell dich. Erzähl ihnen alles.«
Omally versank in ein klägliches Schluchzen. »Ja«, krächzte er. »Ja. Sie haben recht. Sie haben ja immer recht. Wenn ich Jim umgebracht habe, dann hat mein Leben allen Sinn verloren. Sie haben recht.«
Plötzlich stand die Whiskykaraffe auf dem Schreibtisch des Professors. Er schenkte sich ein und füllte Omallys Glas nach. »Nun, die Entscheidung liegt sicherlich bei dir. Vielleicht willst du auch warten, bis sie Jims Leiche aus der Themse ziehen?«
»Nein«, sagte Omally und stand auf. »Alles, nur nicht das! Ich weiß, was ich getan habe. Ich bin für alle Ewigkeit verdammt!«
»Kein Mensch ist für alle Ewigkeit verdammt.«
»Ich schon. Mein ganzes Leben hat aus nichts als Gier und Eigennutz bestanden. Das ist mir jetzt klargeworden. Ich weiß, was ich getan habe.«
»Und?«
»Ich werde mich stellen. Ich will versuchen, das richtige zu tun.«
»Gut, John. Sehr gut.«
»Ich werde mein altes Leben aufgeben und meine Zeit absitzen«, sagte Omally, »und dann werde ich in ein Kloster gehen und allen Gelüsten des Fleisches abschwören. Ich werde ein bekehrter Sünder.«
»Ein bekehrter Sünder?« Der Professor, dem Falschheit in all ihren Formen vertraut war, starrte den gebrochenen Mann vor sich lange und hart an. Plötzlich schien ihn eine goldene Aura zu umgeben. »Gesegnet seist du«, sagte er schließlich.
»Das Telephon«, sagte John. »Ich will die Polizei anrufen.«
Der Professor streckte die Hand nach dem Telephon aus. Unvermittelt hielt er inne. »Warte«, sagte er und versteifte sich sichtlich. »Horch!«
»Horch? Was denn?«
Die Augen des alten Mannes richteten sich auf die großen Verandatüren. »Irgend etwas …« Von draußen erklang das Geräusch schlurfender Schritte und ein
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