Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kohl, Walter

Kohl, Walter

Titel: Kohl, Walter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leben oder gelebt werden
Vom Netzwerk:
gegen
Angriffe der Kinder aus dem Jägerhaus, deren Bootssteg nur etwa 100 Meter
entfernt lag, verteidigen zu können. Peter und Walter wurden für den Rest der
Ferien zu einer verschworenen Schlauchbootgemeinschaft. Heimlich ließen wir
uns von »Forelle« sogar den verbotenen Bach hinauftragen. Wir erkundeten auch
die umliegenden Grundstücke von der Seeseite her, was natürlich strengstens
verboten war und deshalb umso schöner. Der Frieden, den wir geschlossen
hatten, wurde zur Grundlage für wunderbare gemeinsame Ferienerlebnisse.
»So, und nun vertragt euch wieder, macht jetzt Frieden!«
    Diesen
Satz haben wir nicht nur dieses eine Mal gehört. Mutter konnte ihn freundlich,
aber auch als eindeutigen Befehl aussprechen. Das eine oder andere Mal ordneten
wir uns nur widerwillig unter, aber das Ergebnis war in jedem Falle gleich:
friedliche Kooperation. Wir folgten, ohne groß nachzudenken, es war ein
Ordnungsrahmen, der ebenso unmissverständlich wie praktisch und effektiv war.
Wenn wir so erhitzt waren, dass wir darauf bestanden, unsere gegenseitigen
Anklagen vorzubringen, ließ sie uns darin durchaus unseren Willen. Das Urteil
stand aber immer schon vorher fest: Frieden. Auch wenn der Sachstand
unverändert war, wenn die Legoburg kaputt war, wenn der blaue Fleck wehtat -
die Welt war wieder in Ordnung gebracht. Es konnte weitergehen.
    Einfach
Frieden machen - welch ein Auftrag, welch ein Anspruch!
    Also
»machten« wir unseren Frieden. Einerseits waren wir froh, dass eine höhere
Instanz in Person unserer Mutter die Sache in die Hand genommen und geklärt
hatte, andererseits war dieser Frieden ein Vernunftkompromiss. Schließlich waren
wir Brüder wieder versöhnt, wenn auch mithilfe äußerer Autorität und dank
unserer Furcht vor weitergehenden Sanktionen.
    Kinder
sind gesegnet, weil sie leichter vergessen können. Sie leben noch viel stärker
im Hier und Jetzt, sie akzeptieren leichter das Urteil einer geachteten
Autorität. Kinder sind noch nicht so sehr die Gefangenen ihrer Egos wie wir Erwachsenen.
Sie können sich leichter und tiefer versöhnen, und unter der Voraussetzung,
dass die Lösung als gerecht empfunden wird, kehren sie vorbehaltlos wieder zu
Freundschaft und Frieden zurück. Psychologisch ausgedrückt: Sie vermögen
negative Gefühlsenergie viel effektiver in positive zu wandeln.
    Aber Versöhnung
unter Erwachsenen? Ist das nicht etwas völlig anderes?
    Vielleicht
wären wir Erwachsenen gut beraten, nicht vorschnell und überheblich über
kindliche Verhaltensweisen zu urteilen. Von den Kindern können wir einiges darüber
lernen, wie man Frieden schafft, wie man aus der Sackgasse von Zorn und
verletztem Ego wieder herauskommt. Kindern fällt es viel leichter, über den
eigenen Schatten zu springen. Sie gehen unbefangener mit ihren Gefühlen um, und
ihre Unbeschwertheit hilft ihnen, sich dem Erlebten offen und ehrlich zu
stellen. Dies ist die Voraussetzung, um den Schmerz in friedliche Energie zu
wandeln. Frieden und Versöhnung sind niemals ohne diese Wandlung möglich, das
gilt zwischen ganzen Völkern ebenso wie zwischen einzelnen Individuen. Echter
Wandel in der Menschenwelt fängt immer im Innern des Einzelnen an. Nur wenn der
Wandel das Innere des einzelnen Menschen ergreift, kann sich auch in der Welt
etwas ändern. Notwendiger äußerer Wandel, über den sich Erwachsene gern die
Köpfe heiß reden, ist ohne den Quantensprung des inneren Energiewandels, der
Versöhnung, unmöglich.
    Dabei gilt
es die delikate Grenze zwischen Annäherungsbereitschaft und falschem
Kompromiss nicht zu überschreiten. Wir Erwachsene sollten in solchen
Situationen unserem Herzen folgen und nicht als Sklaven unseres Egos
krampfhaft auf bestimmten Positionen bestehen. Echte Versöhnung überwindet die
Fesseln von Macht, Status und Ego, sie findet den richtigen Weg.
    An diesem
Punkt können wir von unseren Kindern lernen - nein, wir müssen es!
    Kinder
sind nicht so viel anders als Erwachsene, doch ist ihre Fähigkeit, bewusst
positive Gefühle zu aktivieren, noch viel besser intakt. Erwachsene machen sich
viel leichter zu Opfern der Volatilität ihrer Gefühle, konzentrieren sich nur
zu gern auf unpassende Vergleiche und Wettbewerbe. Sie sind nicht mehr so
leicht in der Lage, nur ein wenig guten Willen zu mobilisieren, zu schnell
blockiert sie ihr Ego. Damit will ich weder tadeln noch moralisieren, und schon
gar nicht einer emotionalen »Verkindung« das Wort reden. Aber ein wenig
bewusste Rückbesinnung auf die

Weitere Kostenlose Bücher