Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kohl, Walter

Kohl, Walter

Titel: Kohl, Walter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leben oder gelebt werden
Vom Netzwerk:
schwerer, Versöhnungsbereitschaft nicht als
Schuldeingeständnis oder gar eine Form der Schwäche zu verstehen, sondern als
einen anderen, mutigen Weg zum Frieden.
    Deshalb
kann Versöhnung zeitweilig auch Auseinandersetzung bedeuten, allerdings immer
mit dem Endziel eines einvernehmlichen Friedens. Auseinandersetzung und Versöhnung
sind deshalb in meinen Augen kein Widerspruch an sich, sondern sie müssen in
einem gesunden Verhältnis zueinander stehen. Auseinandersetzung ist dann nicht
mehr als eines von mehreren Mitteln, das uns zum Ziel der Versöhnung führt.
Auseinandersetzung darf sich nicht als Selbstzweck verselbstständigen. Die
Ziele der Versöhnung müssen auch in der Hitze des Gefechtes immer die Oberhand
behalten. Unsere Auseinandersetzung darf sich nicht den Energien des Zorns und
der Rache unterwerfen.
     
Der Kreis schließt sich
 
Versöhnung als Lebenspraxis kennt keine Patentrezepte, es
gibt dafür keine griffige Erfolgsformel. Wer hier einsteigen will, für den geht
es darum, seinen ganz persönlichen Lösungsweg zu finden. Wenn es gelingt,
eröffnen sich Gestaltungsmöglichkeiten im eigenen Leben, die man nicht für
möglich gehalten hätte.
    Von daher handelt
es sich um einen anspruchsvollen Weg, mit zahlreichen Herausforderungen für
den, der ihn beschreitet. Wie auf einem Kletterpfad im Gebirge sind große
Sprünge nicht zu empfehlen, es gilt, bewusst einen Schritt nach dem anderen zu
setzen. Es lohnt sich durchaus, nicht gleich die Geduld zu verlieren, wenn man
phasenweise nur langsam vorankommt. Übung und Ausdauer machen den Weg sehr
viel leichter - Mut und Selbstüberwindung gehören immer mit dazu, vom Start bis
zum Ziel. Um bei Wind und Wetter nicht die Richtung zu verlieren, orientiert
man sich am besten an markanten Orientierungspunkten, die man nicht so leicht
aus dem Auge verliert. Da wir uns auf einem inneren Weg befinden, sind diese
naturgemäß psychologischer Natur:
    Aufbruch
und innere Öffnung
    Akzeptanz
    Neue Ziele
und Wege
    Aufbruch
und innere Öffnung beginnen in dem Moment, in dem man gewissen Fragen nicht
länger ausweichen kann oder will.
    Kann es so
weitergehen? Halte ich das noch länger aus? Macht mich das glücklich? Ist
dieses Leben denn schön? Hat es einen Sinn?
    Dieser
Aufschrei der Seele ist heilsam: Bis hierher und nicht weiter! Druck setzt
Aufbruchsenergie frei, insbesondere wenn unfreiwilliges Leiden in freiwilliges
gewandelt wird. Die Bereitschaft zu »freiwilligem Leiden« entsteht in dem
Moment, da wir durch einen solchen inneren Aufschrei erschüttert werden. Eine
innere Stimme alarmiert uns, und das ist gut so. Es beweist, dass wir noch
nicht innerlich abgestorben sind. Dass wir uns noch nicht aufgegeben haben,
dass es uns nicht egal ist, was mit uns geschieht. Wer so aufschreit, der hat
noch nicht kapituliert. Meistens geschieht es in einer existenziellen Krise,
aber eigentlich können wir uns stets neu dazu entscheiden, uns zu öffnen und
für den inneren Wandel bereit zu sein.
    Jetzt übernimmt
der Schmerz eine nicht zu unterschätzende Lenkfunktion. Er hilft nicht nur,
dass wir uns selbst wieder fühlen, sondern er
weist uns auch den Weg, wo unsere inneren Hürden sind. Denn
da, wo's wehtut, müssen wir jetzt wohl oder übel hingehen, um diese Themen
müssen wir uns kümmern. Diesen Moment des Aufbruchs nenne ich den Beginn der
Eigenverantwortung. Weil wir nicht mehr unfreiwillig leiden wollen, ergreifen
wir die Initiative, nehmen unser Leben selbst in die Hand, fangen an zu
gestalten und werden bereit, alte innere Hürden zu
überspringen. Das kann am Anfang wehtun, brutal weh. Aber es ist
ein Leiden, das sich lohnt, das reiche Frucht tragen wird.
    Weil der
Schmerz, den wir jetzt empfinden, so wertvoll sein kann, sollten wir ihn nicht
mit dem einen oder anderen Mittel ersticken, sondern ihn mit ruhiger
Gelassenheit zu fühlen versuchen. Dieser Schmerz ist real, man kann ihn
verleugnen. Deshalb sollten wir ihn annehmen als das, was er ist: ein Teil von
uns selbst, zumindest gegenwärtig. Die Kunst besteht darin, ihn zugleich als
Teil der jetzigen (schwierigen) Situation und als Teil der zukünftigen
(besseren) Lösung zu akzeptieren. So kann ein Tiefpunkt im Leben sich zugleich
auch zu einem heilsamen Wendepunkt weiterentwickeln. Aber man muss sich entscheiden:
Will man etwas tun, etwas ändern? Oder soll alles bleiben wie zuvor? Will man
Verantwortung für sich selbst übernehmen oder nicht?
    Ich lag am
Boden und war damit auch auf dem Grund

Weitere Kostenlose Bücher