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Kohlenstaub (German Edition)

Kohlenstaub (German Edition)

Titel: Kohlenstaub (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne-Kathrin Koppetsch
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keiner, oder?«
    »Idschdi und Marie
wohnen im zweiten Stock. Direkt über dem Büro.«
    »Stimmt. Das hatte
ich vergessen. Doch schließlich haben Sie das Recht, sich hier aufzuhalten, als
Pastorin.«
    »Wer hat das Recht
wozu?«, tönte es aus dem Flur.
    Kruse baute sich
in seiner ganzen Breite vor mir auf. »Ach, sieh da, das Fräulein Gerlach! Was
machen Sie denn im Büro? Anonyme Briefe verfassen etwa?«
    »Wie bitte?«
    Kruse schaute mich
böse an. »Waren Sie das?« Er hielt mir einen Bogen Papier unter die Nase.
    Ich las: »Wir
dulden keinen Mörder unter uns! Einer, der es gut meint.«
    »Aha!«, sagte ich.
»Wenn das von mir ist, von wem stammt dann das hier? Habe ich heute Morgen bei
mir im Treppenhaus gefunden.« Ich zeigte ihm meinen Brief. »In diesem Haus
wohnt ein Mörder! Das dulden wir nicht!«, stand darin.
    »Dieselbe
Schrift«, murmelte Kruse. »Ist ja ‘n Ding!«
    »Eine andere Frage
noch: Hatten Sie vielleicht in letzter Zeit eine tote Ratte vor der Tür? Oder
einen Hamster?«
    Er schüttelte den
Kopf. »Sie haben eine lebhafte Phantasie, Schwester Gerlach. Geht es Ihnen
heute nicht gut?«
    »Nicht besonders.
Jedenfalls nicht, seit ich ein totes Kaninchen vor der Tür fand. Gestern
Morgen.«
    »Das ist nicht Ihr
Ernst!«
    »Doch, leider. Das
Tierchen befindet sich mittlerweile in Gewahrsam. Auf dem Polizeirevier.«
    Endlich fiel
Kruses Blick auf den Reporter, der immer noch am Schreibtisch saß und nun den
Bogen aus der Maschine zog.
    »Luschinski! Was
wollen Sie denn hier!«, brüllte er.
    »Ich habe ihn
gebeten, mich zu unterstützen«, sagte ich mit fester Stimme und wartete auf das
Donnerwetter.
    Doch das blieb
aus.
    »Soso«, sagte mein
Kollege nur. »Na, wenn Sie da mal nicht den Bock zum Gärtner gemacht haben!«
    Später trug ich
meinen Talar, den ich nach Hannings Beerdigung im Gemeindebüro gelassen hatte,
zur Kirche. Sorgfältig hängte ich die schwarze Robe auf den Garderobenhaken in
der Sakristei. Auf dem Tisch lag das Heft mit den Einträgen der Kollekten:
zweiundzwanzig Mark fünfzig im Klingelbeutel und achtundvierzig Mark
zweiundvierzig am Ausgang letzten Sonntag. Keine großen Summen in dieser
Gemeinde der rechtschaffenen Bürger, Handwerker, Einzelhändler und Bergmänner.
    Ich betrat die
Kirche. Sie war erst im vergangenen Jahr eingeweiht worden, ein moderner
Backsteinbau, der sich allein durch die rote Farbe von den braunen und grauen
Häuserfassaden in der Siedlung unterschied.
    Vor dem Krieg hatte
die Gemeinde sich in einer Kapelle versammelt, nicht weit von der jetzigen
Kirche entfernt. Sie war 1901 erbaut und bei dem großen Bombenangriff auf
Dortmund 1944 zerstört worden. Über viele Jahre hinweg fanden Gottesdienste im
Gemeindehaus statt. »Wir hatten einen ›Dachreiter‹ darauf gesetzt, der aussah
wie ein Kirchturm«, hatte Hanning mir kurz nach meiner Einführung einmal
erzählt. »Dadurch sah das Haus einer Kirche recht ähnlich.«
    Plötzlich
entdeckte ich, dass ich nicht allein war. In einer der hinteren Bänke kniete
eine Frau, blondes Haar fiel auf die Lehne der vorderen Bank.
    Vorsichtig näherte
ich mich ihr. Erst, als ich kurz vor ihr stand, erkannte ich Marie.
    Ich wartete.
    Nach einigen
Minuten beendete sie ihr Gebet mit einem »Amen« und bekreuzigte sich. Ihr Blick
erfasste mich. »Fräulein Pastor. Es tut mir leid!«
    »Was denn? Sie dürfen
doch in der Kirche beten. Habe ich die Tür versehentlich offen gelassen?«
    »Ich habe
Schlüssel.«
    Richtig. Sie war
mit dem Hausmeister verheiratet, der die Schlüsselgewalt über Gemeindehaus,
Kirche und die Pfarrhäuser innehatte.
    »Marie?«
    »Ja, Fräulein
Pastor?«, fragte sie scheu.
    »Sie haben sich
bekreuzigt. Sind Sie katholisch?«
    Erschrocken fasste
sie sich ans Herz. »Nicht erzählen, bitte!«
    »Und Ihr Mann?«
    Sie senkte
schuldbewusst den Blick.
    »Wie kommt es
dann, dass Sie in einer evangelischen Gemeinde arbeiten?«
    Die Frage
verhallte im Raum. Marie hatte die Flucht ergriffen.
    »Hier. Nehmen Sie
das und gehen Sie damit zur Polizei!« Luschinski drückte mir den Bogen in die
Hand, auf den er zuvor in wilder Reihenfolge Buchstaben getippt hatte. »Die
sollen überprüfen, ob die anonymen Briefe auf dieser Maschine geschrieben
wurden!«
    »Ja, aber das sehe
ich doch!« Vergleichsweise hielt ich das aktuelle Papier mit der Mörderanklage
daneben.
    »Was sehen Sie?«
Luschinski zwinkerte. »Diese Maschinen gibt es zu Hunderten. Da müssen
Spezialisten ran und jede Unebenheit überprüfen.

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