Kohlenstaub (German Edition)
in meinem
Schlafzimmer verbracht.
ZEHN
»Hier! Ich hab’s
mitgebracht!« Ich wickelte den Kaninchenkadaver aus dem Zeitungspapier und
platzierte ihn neben dem vollen Aschenbecher. Leichenteile zu Sargnägeln. Stank
schließlich beides bestialisch.
Kellmanns
verkniffenem Gesichtsausdruck entnahm ich, dass ihm das kombinierte Aroma nicht
gefiel.
»Was ist das?«,
fragte er angewidert. »Ein Kaninchen? Bringen Sie jetzt schon Ihre toten
Haustiere mit?«
»Nicht meines.
Vermutlich ein halbwildes Tier aus dem Westpark, das jemand getötet und mir vor
die Tür gelegt hat. Sehen Sie hier« – ich wies mit ausgestrecktem Zeigefinger
auf das blutige Bündel – »offensichtlich wurde ihm die Kehle durchtrennt.« Die
Wunde war blutverkrustet. Glupschige Augen starrten uns unheimlich an. Ich
wandte den Blick ab.
»Aha. Sind Sie
Spezialistin, oder woher wissen Sie, wie das Tier getötet wurde?«
Darauf erwiderte
ich nichts.
Er fragte weiter:
»Sie haben das Tier jedenfalls gefunden?«
»Ja.
Beziehungsweise nicht ich, sondern meine Untermieterin. Sie hat aus Gründen,
die für diesen Fall nicht von Interesse sind, auf meiner Couch genächtigt.«
Kellmann spannte
wieder einen Bogen in die Schreibmaschine. »Uhrzeit? Genauer Fundort?« Er
zündete sich einen Glimmstängel an.
»Halb sieben Uhr
morgens. Der Kadaver lag auf dem obersten Treppenabsatz vor meiner Wohnungstür.
Neben dem Geländer.«
»Ich muss das
Beweismaterial sicherstellen«, sagte der Kommissar. »Übrigens, Sie haben ja
ganz schön vom Leder gezogen gestern bei der Beerdigung!«
Ich nickte.
»Ganz schön mutig.
Für so ein zartes … Fräulein Pastor.«
Später brachte der
Kommissar das Gespräch auf Jankewicz und sein Alibi.
»Er meinte, Sie
könnten seine Anwesenheit im Haus bezeugen.«
»Aber doch nicht
für die ganze Zeit! Jankewicz wurde nach dem Streit mit seiner Frau gegen zehn,
halb elf in der Siedlung gesehen.«
»Ich weiß.
Trinkhallen-Trudi.« Der Kommissar nickte. »Er gab an, Sie wären ihm danach
begegnet.«
»Das stimmt.«
Daran hatte ich gar nicht mehr gedacht. »Frühmorgens hörte ich ein Geräusch. Es
mag so gegen drei gewesen sein. Ich habe einen leichten Schlaf, und so wurde
ich wach. Ich spähte durch den Türspalt. Jankewicz versuchte, seine Wohnungstür
zu öffnen.«
»War er
angetrunken?«
»Davon gehe ich
aus. Gibt es denn Kneipen, wo man nach der Sperrstunde noch trinken kann?«
Kellmann zuckte
mit den Achseln. »Wir drücken manchmal ein Auge zu. Ich verstehe allerdings
nicht, warum Jankewicz die Begegnung mit Ihnen als Alibi angibt. Das ist eher
das Gegenteil. Was hat er denn zwischen elf und drei gemacht? Außer einen über
den Durst getrunken, natürlich!« Er lachte über seinen eigenen Witz.
»Gegenfrage: Was
sagt denn seine Frau?«
»Dass er die ganze
Nacht zu Hause war, im Ehebett, natürlich. Was soll sie sonst sagen«, presste
Kellmann zwischen den Zähnen hervor.
»Das wundert mich.
Er behandelt sie nicht immer freundlich.«
»Mich wundert es
nicht. Sie hat selbst Dreck am Stecken. Hat ihn betrogen. Jetzt ist der
Liebhaber tot, da muss sie sich mit dem Mann gut stellen. Sonst steht sie
nachher ohne einen Pfennig da.«
»Weiß der Mann
Bescheid?«
Kellmann zündete
sich die Nächste an. »Das kann ich Ihnen nicht sagen.« Konnte er nicht oder
wollte er nicht?
»Seit wann?«
»Fräulein Gerlach,
ich stelle hier die Fragen. Selbstverständlich haben wir Jankewicz im Blick.
Ein Motiv für den Mord hatte er allemal. Das tote Kaninchen würde dazu passen.
Schließlich wohnt er ja im selben Haus wie Sie.«
»Ja. Allerdings
wäre da noch etwas.« Ich holte den mittlerweile zerknitterten Drohbrief aus der
Manteltasche und reichte ihn über den Schreibtisch. »Das sieht mir nicht nach
Jankewicz aus. Eine Schreibmaschine besitzen meine Untermieter nämlich nicht.«
»Wird ebenfalls
als Beweisstück konfisziert!«, bellte Kellmann und drückte die Zigarette im
Aschenbecher aus.
»Dann nehmen Sie
das doch gleich auch noch!« Ich legte den regenbogenbunten Nylonbeutel auf den
Tisch, in dem ich das tote Kaninchen transportiert hatte.
»Und? Hat Kaminski
sich erklärt?«, wollte Rosi wissen.
Ich stöhnte.
»Deine Phantasie! Es ging nicht um eine romantische Angelegenheit.«
»Schade
eigentlich«, bedauerte Rosi.
Dieses Mal
telefonierten wir nicht, sondern flanierten durch den Westfalenpark. Sechs
Jahre zuvor anlässlich der Bundesgartenschau angelegt, war der gigantische
Garten an der Hauptverkehrsader B
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