Kohlenstaub (German Edition)
Und hier« – er schob ein
weiteres Blatt zu mir herüber – »der Kollege hat mir seinen Wisch auch
gegeben.«
»Kommen Sie mit
zur Wache?«
»Ich hab keine
Zeit. Muss zur Zeche Zollern, da geht es gerade hoch her!«
»Da arbeitet doch
Jankewicz!«
»Wer weiß, wie
lange noch.«
»Was heißt das?
Soll er verhaftet werden?«
»Das weiß ich
nicht. Aber die Schachtanlagen werden geschlossen. Schicht im Schacht!« Er
zwinkerte erneut. »Der Vorstand informiert, der Betriebsrat steht Kopf. Ich
berichte.«
»Stimmt. Frau
Jankewicz hat erzählt, dass die Zeche vielleicht zugemacht wird.«
»Ich muss los.
Grüßen Sie mal den Kellmann von mir. Und das tote Karnickel.«
Ich wollte mich
gerade auf den Weg zum Präsidium machen, als mir einfiel, dass ich meine
Handtasche vergessen hatte. Vor der Tür des Gemeindebüros hielt ich inne.
Drinnen hörte ich Stimmen.
»Der Polacke, der
meint das ernst. Hat damit gedroht, dass er die nötigen Papiere besorgt«, sagte
ein Mann.
»Ja und? Das heißt
doch nicht, dass er irgendeinen Anspruch durchsetzen kann.« Unverkennbar die
Stimme meines Kollegen Kruse.
»Zu dumm, dass
Hanning tot ist. Sonst wäre alles einfacher.« Ich glaubte, die Stimme von
Rabenau zu erkennen.
»Da bin ich mir
nicht sicher. Keine Ahnung, auf wessen Seite Hanning war.«
»Und deine
Kollegin. Diese Kaline, entschuldige, aber die können wir gerade wirklich gar
nicht brauchen!«
»Da bin ich deiner
Meinung!«
Ich schnappte
empört nach Luft. Am liebsten wäre ich schnurstracks in das Büro gestürmt und
hätte die Herren zur Rede gestellt. Stattdessen lauschte ich weiter, neugierig,
wie ich war.
»Die schnüffelt ja
wirklich überall herum. Hättest du sie nicht fernhalten können?«
»Wie denn? Hanning
wollte sie unbedingt haben.«
»Der ist jetzt
tot. Und wir haben den Salat.«
Schritte näherten
sich der Tür.
Ich sah zu, dass
ich Boden gewann.
»Mörder! Mörder!
Mörder!«
Aus dem Park
ertönten schrille Schreie, sogar durch die Scheiben meines Amtszimmers
hindurch. Ich öffnete das Fenster, konnte aber niemanden entdecken. Der Mob
hatte sich wohl zwischen den Büschen versteckt.
»Haut ab!«, rief
ich, so laut ich konnte. Steine flogen, schlugen auf die Hauswand. Einer hätte
fast meinen Kopf erwischt.
»Ihr Feiglinge!«,
schrie ich und schlug das Fenster zu.
Ich ging zur
unteren Wohnung und klopfte. Fräulein Kreuter öffnete mir, sie wirkte
derangiert und verstört. »Ich zeige Ihnen etwas«, sagte sie tonlos und
verschwand.
Wenig später kam
sie mit einem zerknitterten Zettel in der Hand zurück.
»Pass auf, du
Mörder! Wir kriegen dich noch!«, stand darauf. Wieder mit Schreibmaschine
geschrieben.
»Ich habe
ebenfalls anonyme Briefe erhalten«, informierte ich sie. »Sie müssen das zur
Polizei bringen.«
ZWÖLF
»Moment!« Ich
verrichtete gerade im Bad meine Morgentoilette, als ich im Treppenhaus
Geräusche vernahm. Hastig trocknete ich mir das Gesicht ab und trat in den
Flur.
Es klopfte an der
Wohnungstür.
»Wer ist da,
bitte?«
»Frau Jankewicz«,
ertönte die zaghafte Stimme meiner Untermieterin. Ich öffnete und bat die
Besucherin herein. Argwöhnisch ließ ich den Blick über den Treppenabsatz
schweifen, doch diesmal lag da kein Briefumschlag und auch kein totes
Kaninchen. Und leider ebenfalls nicht das erdrosselte Katzenvieh von unten.
Erst letzte Nacht hatte es mich mit seinem Jaulen wach gehalten.
Frau Jankewicz
fragte: »Dürfte ich bitte Ihr Telefon benutzen?«
Ich wies auf den
Apparat. »Meinetwegen. Wenn es ein Ortsgespräch ist.«
»Ich muss Rabenau
anrufen. Könnten Sie mir vielleicht die Nummer heraussuchen?«
Ich griff zum
Telefonbuch und diktierte ihr die Ziffern in die Wählscheibe. Danach zog ich
mich in die Küche zurück und setzte Kaffeewasser auf.
Wenige Minuten
später kam sie herein.
»Auch einen Kaffee,
Frau Jankewicz?«
»Wenn es Ihnen
nichts ausmacht.« Sie wirkte abwesend.
»Haben Sie Rabenau
erreicht?«
»Wie bitte? … Ach
ja, ja habe ich.«
»Frau Jankewicz,
Sie wirken bedrückt. Wollen Sie mir erzählen, was los ist?«
»Manni ist nicht
auf Arbeit.«
»Nicht? Macht er
blau?«
»Er war heute
Nacht auch nicht zu Hause. Das Bett, Sie wissen schon …«
»… ist unberührt«,
ergänzte ich.
»Manni ist weg!«
Die Nachricht
hatte sich wie ein Lauffeuer verbreitet. Auf dem Lehnstuhl in meiner Küche saß
Schwester Käthe, und selbst Rabenau hatte seine Baustelle im Stich gelassen.
»Vielleicht ist er
ausgerissen?«,
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