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Kohlenstaub (German Edition)

Kohlenstaub (German Edition)

Titel: Kohlenstaub (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne-Kathrin Koppetsch
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nein, nicht sagen. Ist unhöflich.«
    Jetzt war ich erst
recht neugierig. »Sagen Sie es ruhig. Das macht mir nichts.«
    »Geh, dummer
Esel!« Tödlich verlegen blickte Marie zur Seite.
    Ich musste
grinsen. »Ich sag’s auch nicht weiter.«
    »Schwester
Gerlach!« Der Superintendent wandte sich wieder zu mir. »Schön, dass es Ihnen
gut geht. Wie läuft es denn in der Gemeinde?«
    Automatisch
beantwortete ich seine Fragen.
    Zwischendurch
schaute ich mehrmals zur Tür. Ich hatte noch eine Mission zu erfüllen.
    »Detlef!« Ich war
froh, den Jungen in der Wohnung der Rabenaus anzutreffen. Lena hatte mir den
Weg zu dem winzigen Kinderzimmer gewiesen. Zwei schmale Betten standen in dem
Raum, an jeder Wand eines. Dazwischen war weniger als ein Meter Platz.
    »Hast du ein wenig
Zeit für mich?«
    »Mit Ihnen will
ich nicht reden!«, fuhr der Junge auf. Er saß auf dem Bett gegenüber der Tür.
    »Aber ich mit dir.
Beantworte mir nur eine Frage.«
    Demonstrativ nahm
er eine Jugendzeitschrift zur Hand.
    Ich verschränkte
die Arme. »Gut. Ich habe Zeit.« Ohne Aufforderung ließ ich mich auf dem anderen
Bett nieder. Wenn er den Raum verlassen wollte, kam er nicht an mir vorbei.
    Detlef schaltete
das Radio ein.
    Ich beachtete ihn
nicht.
    Endlich, nach
einer ganzen Weile, fragte er mit schroffer Stimme: »Was wollen Sie wissen?«
    »Warum hast du
Manni zusammengeschlagen und in den Bunker gesperrt? Er hätte sterben können.«
    »Sagen Sie’s der
Polizei?«
    »Das entscheide
ich danach.«
    Schweigen. Das
englische Lied einer Popgruppe ertönte aus dem Lautsprecher.
    »Ich habe Zeit«,
sagte ich wieder.
    Er nestelte an dem
Kopfkissen herum. Eine halbe Ewigkeit später schaute er auf.
    »Es war ein
Unfall.«
    »Was?«, fragte ich
sanft. »Hannings Tod?«
    »Wir wollten ihm
einen Schrecken einjagen. Weil er mit Mannis Mutter – Sie wissen schon …« Seine
Stimme, vorher tief und männlich, überschlug sich und klang wie die eines Jungen.
    Ich schwieg.
    »Wir hatten uns am
Eingang zum Keller versteckt. Manni hatte den Schlüssel. Und dann kam er
runter. Da haben wir uns gegen die Tür gelehnt, sodass er nicht mehr rauskam.«
    Ich wartete.
    »Er hat gerufen.
Ich wollte ihn rauslassen, aber Manni wollte nicht. Wegen seiner Mutter … Der
hat ‘ne Abreibung verdient, hat er gesagt.«
    Der Junge verzog
trotzig den Mund. Ich spürte seine Unsicherheit, und in diesem Moment tat er
mir leid.
    »Dann sind wir
erst mal weg. Aber dann sind wir wieder zurück und haben nachgeschaut, was er
macht. Und da hat er sich nicht mehr gerührt.«
    »Dann habt ihr ihn
hochgeschleift in die Wohnung«, ergänzte ich. »War er da schon tot?«
    Detlef schwieg.
    Dann brach es aus
ihm heraus: »Ich war dagegen! Ich wollte das nicht!«
    »Aber du hast
mitgemacht. Wer war noch dabei? Manni? Giovanni?«
    Detlef nickte.
    »Lass mich raten.
Als der Verdacht auf Mannis Vater fiel, wollte Manni aussteigen und der Polizei
alles erzählen. Um seinen Vater zu schützen.«
    Anstatt zu
antworten, drehte Detlef das Radio lauter.
    Ich überlegte, ob
ich es auf einen weiteren Machtkampf ankommen lassen sollte.
    Doch ich wusste
ohnehin, was ich wissen wollte. Detlef hatte meinen Verdacht bestätigt und mich
in einen Gewissenskonflikt gestürzt.
    Sollte ich ihn
anzeigen?
    Doch was würde
dann passieren? Die Leidtragenden wären sein Vater und seine Schwester.
    Und sie hatten
ohnehin schon mehr als genug zu tragen.

EPILOG
    »Mach schon, beeil
dich!«, rief Rosi. Doch bis ich meine Sachen gepackt hatte, war es zu spät, um
die Straßenbahn zu nehmen, und meine Freundin bestellte ein Taxi. Als wir am
Bahnhof aus dem schwarzen Wagen stiegen, traute ich meinen Augen kaum.
    »Herr Kaminski!«,
sagte ich überrascht.
    Er sah mich von
der Seite an. »Ich wollte Sie doch nicht ohne Abschied verreisen lassen,
Fräulein Gerlach!«, erklärte er. Verlegen überreichte er mir einen Strauß weißer
Rosen, deren Blüten sich an den Rändern schon kräuselten.
    »Danke«, erwiderte
ich und nahm die Blumen entgegen. Trotz der netten Geste war ich mir nicht
sicher, ob mir warme Abschiedsworte von Luschinski nicht mehr bedeutet hätten.
Doch der Reporter war seit einiger Zeit mit einem neuen Fall beschäftigt. Es
ging um ein Abhörsystem in der Volkshochschule. Außerdem munkelte man, er habe
eine Geliebte.
    Rosi hielt sich
diskret im Hintergrund und rückte ihren Hut zurecht. Ich vermutete jedoch, dass
sie neugierig jedes Wort aufsaugte, das zwischen Kaminski und mir

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