Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kojoten am Rio Grande (Western-Reihe 'Die Al Wolfson-Chroniken') (German Edition)

Kojoten am Rio Grande (Western-Reihe 'Die Al Wolfson-Chroniken') (German Edition)

Titel: Kojoten am Rio Grande (Western-Reihe 'Die Al Wolfson-Chroniken') (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Bongardt
Vom Netzwerk:
Zur Sicherheit zeigte ich ihm noch einmal, wie er seinen Colt schussbereit machen musste. Er stellte sich weniger ungeschickt dabei an, als ich befürchtet hatte. Es dauerte nicht lange, bis Dunkelheit die ganze Gegend eingehüllt hatte. Ich machte es mir, wie in der letzten Nacht, mit der Winchester im Arm und dem Kopf auf dem Sattel bequem, und fiel ein paar Atemzüge später in tiefen Schlaf.

Ich hatte mit Oscar abgemacht, mich zu wecken, wenn er merkte, dass er seine Augen nicht mehr aufhalten konnte. Zumindest die erste Hälfte der Nacht würde ich mir Schlaf gönnen können, so dachte ich. Aber dass es erst die Morgensonne wäre, die mich wecken würde, damit hatte ich nicht gerechnet. Ebenso wenig mit dem Anblick, der sich mir dabei bot, und der auch nicht verschwinden wollte, nachdem ich mir gründlich den Schlaf aus den Augen gerieben hatte. Oscar saß da, wo er sich am Abend niedergelassen hatte, die Decke über den Schultern, und sein leise gurgelndes, gleichmäßiges Atmen verriet, dass er noch schlief. Ihm und mir gegenüber saßen zwei Männer im Schneidersitz. Sie trugen mit Fransen besetzte Beinkleider, hatten die Arme über ihren nackten Oberkörpern verschränkt, und ihre bemalten Gesichter, ebenso wie ihre glatten, langen schwarzen Haare und ihre bunten Stirnbänder wiesen sie als Rothäute aus. Einer der beiden war höchstens sechzehn oder achtzehn Jahre alt, der andere vielleicht drei oder vier Jahre älter. Zwischen ihnen lagen unsere Revolver und meine Winchester.

    Der ältere merkte, dass ich aufgewacht war. Er hob die rechte Hand und sagte mit fester Stimme „Friede!“ Bei diesem Wort schreckte Oscar auf und begann den Boden um sich herum abzutasten, bis er schließlich begriff, dass auch er im Schlaf entwaffnet worden war.

    Ich setzte mich auf und versuchte dabei, jede schnelle Bewegung, die die Rothäute als Angriff hätten auslegen können, zu vermeiden. Oscar hatte sich die Decke von den Schultern geworfen, jetzt saß er regungslos an seinem Platz und starrte die Rothäute mit offenem Mund an.

    „Seid ohne Sorge. Wir euren Schlummer bewacht“, fuhr die Rothaut fort, und ich meinte, in seiner Stimme ein klein wenig Spott zu hören. Recht geschah es uns, und wir konnten von Glück sagen, dass unsere aufschlitzten und skalpierten Leichen nicht bereits in der Morgensonne verfaulten. Aber was nicht war, konnte ja noch werden.

    „Danke“, sagte ich vorsichtig, „wir schulden euch etwas.“

    „Ja, ihr uns schuldet. Ihr uns schuldet eure Seelen. Helft uns, Seelen unserer Squaws und unserer Kleinen zurück zu bekommen, und eure Schuld ist getilgt.“

    Oscar wusste von dem Massaker, aber er wusste offenbar nicht viel über das, was die Rothäute glaubten, und plapperte hektisch:

    „Ihre Seelen sind jetzt bei Gott, dem Allmächtigen, äh, bei dem großen Manitu, da geht es ihnen gut.“

    Beide Indianer schüttelten die Köpfe.

    „Ihre Seelen sind im Beutel von Padre. Ihr kennt. Ihr habt getötet drei Männer von Padre gestern.“

    Die Rothäute glaubten, die Seele des Menschen wohne im Skalp. Wer skalpiert worden war, konnte nicht mehr in die ewigen Jagdgründe eingehen, es sei denn, Angehörige seines Stammes setzten den Skalp in einer feierlichen Zeremonie bei. Der Wunsch nach Rache war also nicht der einzige Grund, aus dem die Rothäute den Skalpjägern folgten.

    Der Anführer der Skalpjäger hatte also nicht bloß so daher geredet. Seine angebliche Mission, die „Heiden zu Gott“ zu führen, war sein Markenzeichen, und er wollte als „Padre“ in die Geschichte eingehen. Deshalb auch der Priesterkragen. Ich musste an Miss Lucille denken, die Lehrerin der Sonntagsschule, in die meine Eltern mich ein paar Jahre lang geschickt hatten. Erst hatte ich mich gesträubt, aber je älter ich wurde, desto mehr lernte ich Miss Lucille schätzen, mit ihren sanften Augen und ihren großen Brüsten. Wenn sich ein feiger Kojote „Padre“ nannte und einen Priesterkragen trug, dann war das auch eine Entweihung des guten Namens von Miss Lucille.

    „Wir werden euch helfen“, entschied ich, „wir werden den Padre bestrafen und die Seelen eurer Frauen und Kleinen zurückbringen.“

    „Nein. Nicht ihr strafen. Wir strafen. Wenn du einen Bären jagst, du brauchst Honig. Padre sein Bär. Ihr sein Honig. Wir sein Bärenjäger.“

    Diese Rollenverteilung behagte mir nicht besonders – das Talent der Rothäute bei der Jagd auf echte Bären hatte ich ja schon bewundern können. Wie mir der

Weitere Kostenlose Bücher