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Kojoten am Rio Grande (Western-Reihe 'Die Al Wolfson-Chroniken') (German Edition)

Kojoten am Rio Grande (Western-Reihe 'Die Al Wolfson-Chroniken') (German Edition)

Titel: Kojoten am Rio Grande (Western-Reihe 'Die Al Wolfson-Chroniken') (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Bongardt
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und fluchte ein wenig über meinen eigenen Geiz: Viele Cowboys in Diggers Tomb benutzten Papierpatronen, da waren Pulver und Bleikugeln zusammen in eine Papierhülle gewickelt, und mussten nur noch in die Kammer geschoben werden. Damit hätte das Nachladen nur noch ein Viertel der Zeit in Anspruch genommen. Wenn die Skalpjäger nicht geflohen wären wie feige Kojoten, dann wäre ich geliefert gewesen. Aber, da war ich sicher, sie würden zurückkehren: Zumindest, um ihre Toten zu begraben, und weil Chihuahua im Süden lag, wo sie ihre Beutel voller Skalps zu Geld machen konnten.

    Dann erklärte ich Oscar, wie er seinen Revolver laden konnte und er war eine ganze Zeit gut damit beschäftigt, seine neue alte Waffe auseinander zu nehmen, Pulver und Kugeln einzufüllen und die ganze Apparatur wieder zusammen zu setzen, ohne dabei die Ladung zu verschütten. Wenn es zu einem Gefecht kam, würde er seinen Colt nach dem fünften Schuss wohl besser nur noch als Keule benutzen. Falls er dann noch lebte.

    Es war nicht so, dass ich vorhatte, mich auf ein weiteres Gefecht einzulassen. Wenn es nach mir ging, konnten Rothäute und Skalpjäger ihren Krieg unter sich ausmachen. Von beiden waren ja in diesem Gebiet des Rio Grande nicht mehr all zu viele übrig, und je schneller sie sich gegenseitig den Garaus gemacht hätten, desto eher hätte ich hier meine Ruhe. Es wäre nur schade um Oscars Pferd gewesen. Zur Not musste er sich eben zu Fuß bis nach El Paso im Süden durchschlagen, von da aus konnte er dann mit der Postkutsche zurück nach Diggers Tomb – der Spott der braven Bürger war ihm dann allerdings sicher, mochte er ihnen später beim Zahnziehen auch noch so viel Schmerz bereiten.

    Für heute würde Oscar jedenfalls hier kampieren müssen. Inzwischen hatte er halbwegs eingesehen, dass ich nicht mit ihm nach Diggers Tomb kommen würde, dass ich aber auch nicht der kaltblütige Mörder war, der ich nach dem Urteil des ehrenwerten Richters Henry Jefferson zu sein schien. Sonst hätte ich wohl kaum meinen eigenen Kragen riskiert, und es gleich mit sechs Halunken aufgenommen, um ihm seinen Skalp zu retten – auch wenn die Tatsache, dass sie betrunken und außerdem erbärmliche Feiglinge waren, meine Heldentat ein wenig schmälerte. Er unternahm einen letzten Versuch, mich zur Rückkehr zu überreden, indem er mir anbot, in einem neuen Prozess als Zeuge zu meinen Gunsten auszusagen. Aber ich wusste schon, wie seine Aussage ausgelegt werden würde: Nicht, dass ich die Erde von drei wertlosen, dreckigen Kreaturen gereinigt hatte, sondern dass ich zwei arglose Männer aus sicherer Deckung heraus erschossen hatte, und den dritten zwar – vielleicht – mit den ersten zwei Schüssen an einem Verbrechen gehindert hatte, aber dem bereits fliehenden danach völlig unnötig in den Kopf geschossen hatte. „Gut“, sagte er schließlich, „du hast recht. In Diggers Tomb wirst du keinen fairen Prozess bekommen. Wahrscheinlich wird Richter Jefferson dir schon deshalb einen neuen Prozess verweigern, weil er deine Flucht als Geständnis gewertet haben dürfte. Bleib also in Gottes Namen hier, oder geh, wohin immer es dir beliebt. Aber sei bitte so gut, und hilf mir, mein Pferd zurück zu erhalten – oder ein adäquates Reittier. Schließlich ist es deiner Flucht zu verdanken, dass ich mich in diesem Schlamassel befinde.“

    Es wurde Zeit, uns ein Nachtlager zu suchen. Oscar wäre gern an Ort und Stelle geblieben, aber mir war der malerische Platz an der Furt des Rio Grande zu unsicher: Das Geräusch des Flusses machte schläfrig, und zumindest den Rothäuten traute ich zu, uns von der Wasserseite aus anzugreifen – auch wenn ich keine gesehen hatte, konnte es gut sein, dass sie irgendwo Kanus versteckt hatten, deren Ruderschlag im Rauschen und Plätschern des Flusses nicht zu hören wäre.

    Ich marschierte, Tyler am Zügel, mit Oscar also eine halbe Meile nach Westen, weg vom Ufer, wo wir eine flache, bergan von Felsen und Sträuchern abgeschirmte Stelle fanden, die uns auf der anderen Seite einen freien Blick in Richtung auf das Flusstal bot. So lange Tyler im Schatten der Felsen blieb, wären wir hier nicht auszumachen, würden im Mondlicht aber schnell bemerken, wenn sich uns jemand von der Flussseite her näherte.

    Ich nahm Tyler den Sattel ab und warf Oscar die Decke zu, die er später wahlweise als Kopfkissen verwenden oder sich damit zudecken konnte. Ich musste Oscar nicht lange zureden, damit er die erste Wache übernahm.

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