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Kokoschkins Reise

Kokoschkins Reise

Titel: Kokoschkins Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Joachim Schädlich
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kam in einem leichten taillierten dunkelblauen Kleid, das die Knie nicht bedeckte.
    Er mußte an eine Erzählung Bunins denken. Ein junges Mädchen, Olja genannt, erzählt ihrer Lehrerin, sie habe in einem Buch aus der Bibliothek ihres Vaters gelesen, wie eine schöne Frau sein müsse. Die Augen schwarzwie siedendes Pech, die Wimpern so schwarz wie die Nacht, auf den Wangen ein zarter Anflug von Rot, eine schlanke Figur, überlange Hände, ein kleiner Fuß, eine nicht zu große Brust, wohlgerundete Waden, Knie in der Farbe von Muschelschalen, abfallende Schultern. Und das Wichtigste – ein leichter Atem. – Kokoschkin dachte: Das ist Olga Noborra!
     
    Am Büfett sagte ein Mann, der wie ein Deutscher klang, zu Kokoschkin: «Der Kaffee aus dem Thermobehälter ist tödlich. Bestellen Sie lieber an der Bar einen Espresso.»
    Der Mann schien übersehen zu haben, daß der Kaffee, den er meinte, koffeinfrei war.
     
    Während der Tanz- und Musikshow im Royal Court Theatre sagte Olga Noborra: «Nicht schlecht gemacht, aber uninteressant.»
    Kokoschkin hätte sagen sollen: ‹Möchten Sie gehen?› Aber er sagte: «Sollen wir gehen?»
    «Neinnein.»
     
    Das Illunimations-Auditorium hätte auch ein Konzertsaal sein können.
    Eine Art festlicher Erwartung, die Kokoschkin vor jedem Konzert erfüllt, hegte er auch hier.
    Nach dem Divertimento in F-Dur von Mozart spielte das Quartett den Tango von Albéniz aus España. Dieser Wechsel gefiel Kokoschkin gar nicht.
    Olga Noborra fragte Kokoschkin: «Möchten Sie gehen?»
    «Ja.»
    Leise, im Prélude e-Moll von Chopin, das Kokoschkin lieber vom Klavier gehört hätte, verließen Olga Noborra und Kokoschkin das Auditorium.
     
    Auf dem Weg zum Golden Lion Pub die Blicke der Passagiere Ella Fitzgerald, Feldmarschall Montgomery und Duke Ellington von hohen Fotos.
     
    Olga Noborra war überrascht. Im Pub standen auf einem niedrigen Podest zwei junge Frauen und sangen Bye Bye Miss American Pie. Textsicher alle sechs Strophen, aber mit vielen falschen Tönen.
    «Schade», sagte Olga Noborra, «das haben Buddy Holly, Ritchie Valens und J.   P.   Richardson nicht verdient.»
    Der Beifall der Pub-Gäste war trotzdem stark, vielleicht, weil der Ansager den beiden jungen Frauen «aus Deutschland» ausdrücklich gedankt hatte.
    Textsicher waren die beiden gewesen, weil sie den Text von einem Bildschirm abgelesen hatten.
    «Ach so», sagte Olga Noborra, «der Pub ist heute eine Karaoke-Bar.»
    Nach den beiden Deutschen wurde ein Schweizer angekündigt: I did it my way. Er sang, ohne auf den Bildschirm zu blicken. Am Schluß hob er die Arme und ließ sich vom Publikum, das mitgesungen hatte, begeistert feiern.
    Kokoschkin hatte in der Bar Bier bestellt, Olga Noborra ein Glas Champagner.
    Kokoschkin sagte: «Auf die wirkliche Gefahr hin, mich bei Ihnen für immer lächerlich zu machen, werde ich jetzt auch singen.»
    «Die Absicht macht Sie nicht lächerlich. Nur, wenn Sie schlecht singen.»
    «Ich singe ein Lied, das ich schon oft gesungen habe. Sie kennen es natürlich.»
    Kokoschkin bat den Ansager um die Einstellung des Musiktitels.
    Er sang, ohne den Text auf dem Bildschirm anzusehen:
    «Of all the boys I’ve known, and I’ve known some
    Until I first met you, I was lonesome
    And when you came in sight, dear, my heart grew light
    And this old world seemed new to me
    You’re really swell, I have to admit you
    Deserve expressions that really fit you
    And so I’ve racked my brain, hoping to explain
    All the things that you do to me.»
    Olga stand an der Bar. Kokoschkin sah zu ihr hin.
    «Bei mir bist du scheen, please let me explain
    Bei mir bist du scheen means you’re grand
    Bei mir bist du scheen, again I’ll explain
    It means you’re the fairest in the land.»
    Olga lachte ihm zu und trank einen Schluck Champagner.
    Und Kokoschkin sang:
    «I could say Bella, bella, even say Wunderbar
    Each language only helps me tell you
    how grand you are.»
    Jetzt blickte Kokoschkin geradeaus:
    «I’ve tried to explain, bei mir bist du scheen
    So kiss me and say you understand.»
    Die Zuhörer klatschten.
    «Bei mir bist du scheen, you’ve heard it all before
    but let me try to explain
    Bei mir bist du scheen means that you’re grand
    Bei mir bist du scheen, it’s such an old refrain and yet I should explain
    It means I am begging for your hand.
     
    I could say Bella, bella, even say Wunderbar
    Each language only helps me tell you
    how grand you are.»
    Der Beifall war groß. Kokoschkin

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