Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kokoschkins Reise

Kokoschkins Reise

Titel: Kokoschkins Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Joachim Schädlich
Vom Netzwerk:
gekommen. Auch Oakley saß am Tisch.
    Lucy sagte, sie und Frank hätten am Morgen gebetet.
    Frank sagte etwas, was niemand verstand.
    Lucy sagte: «Du mußt lauter sprechen, nicht so nuscheln.»
    Frank sagte lauter: «Für die armen Menschen in den Twin Towers.»
    «Ich habe auch für sie gebetet», sagte Olga Noborra.
    Lucy fragte: «Müssen wir auf unserem Schiff nicht Angst haben?»
    «Nein», sagte Oakley.
    «Und was war mit der Achille Lauro?»
    «Da waren vier bewaffnete palästinensische Terroristen als Passagiere an Bord gegangen. Im Oktober Fünfundachtzig. Glauben Sie, bewaffnete Gangster kommen heutzutage durch die Kontrollen. Ich sage Ihnen: Unser Schiff ist gesichert gegen Angriffe aus der Luft und von See her.»
    «Und wie?»
    «Das wird Ihnen die Reederei nicht auf die Nase binden.»
    «Sehr charmant.»
    «Angreifer sollen nicht wissen   …»
    «Ich verstehe ja schon.»
    «Eines darf man wissen. Das Schiff ist gegen Angriffe von See mit LRA D-Waffen ausgerüstet.»
    «Sehr beeindruckend, Ihre Abkürzung», sagte Lucy.
    «Long Range Acoustic Device», sagte Oakley. «Eine akustische Waffe.»
    «Wollen Sie die Terroristen mit schlechter Musik verjagen?»
    «Verstehen Sie etwas von Akustik? Nein. Also. LRAD sendet hochfrequente akustische Signale zwischen zweitausendeinhundert und dreitausendeinhundert Hertz mit einem maximalen Schalldruck von hundertfünfzig Dezibel aus.»
    «Das sagt mir nichts. Was passiert dem Beschossenen?»
    «Starke Schmerzen am Trommelfell, Kopfschmerzen, Übelkeit, eventuell Bewußtlosigkeit.»
    Kokoschkin sagte: «Eine Krachkanone.»
    «Wie in der Hölle», sagte Oakley. «Wer diesen Ton auf die Ohren kriegt, dem vergeht Hören und Sehen, und er flieht. LRAD kann bleibende Hörschäden verursachen. Man schafft einen Sicherheitsabstand, ohne zu töten. Außerdem: Unser Schiff gehört zu den großen, die eine hohe Geschwindigkeit erreichen. An ein schnelles Schiff kommt man wegen der Strömungen nicht heran. Und: Die Öffnungen der großen Passagierschiffe liegen so hoch, daß man nicht ohne weiteres hinaufklettern kann.»
    Sachnowski sagte: «Liebe Frau Lucy, bemerken Sie gar nicht, daß hier unentwegt über Politik gesprochen wird? Bei Tisch?»
    «Ich glaube nicht an diese Sicherheiten. Was geschieht, wenn unser Schiff von U-Booten angegriffen wird?» sagte Lucy.
    Oakley schwieg.
    «Hoffentlich kommen wir heil nach New York.»
    «Und auf der Rückreise wieder nach Southampton», sagte Frank.
    «Sie sagen ja gar nichts, Frau Noborra», sagte Sachnowski.
    «Ich bin sicher, daß wir wohlbehalten in New York ankommen», sagte Olga Noborra. «Warum soll ich mir den Kopf zerbrechen. Ich überlege gerade, wie ich den Rest des Tages verbringe.»
    Kokoschkin sagte: «Darf ich Vorschläge machen? Das sonnige Wetter, die warme Luft   …»
    «Wieviel Grad?» sagte Lucy.
    «Jetzt einundzwanzig, bei mildem Südwind. Also, es lohnt sich noch, im Liegestuhl an Deck zu ruhen. Übrigens, wir haben ungefähr die Hälfte der Strecke zurückgelegt.»
    «O.   K.», sagte Olga Noborra, «Was schlagen Sie noch vor?»
    «Dinner nur im Kings Court.»
    «Einverstanden.»
    «Zwanzig Uhr fünfundvierzig im Theater die Tanz- und Musikshow, die gestern wegen des Seeganges ausgefallen ist.»
    «Ich weiß nicht.»
    «Zweiundzwanzig Uhr fünfzehn in den Illuminations das Konzert des Streichquartetts.»
    «Also doch?»
    «Man kann nach dem Mozart-Divertimento gehen.» «Ja.»
    «Und zum Schluß in den Golden Lion Pub.»
    «Vielleicht.»
    Lucy sagte: «Heute abend informell. Und nachts die Uhren um eine Stunde zurückstellen.»
    Sachnowski sagte: «Herr Oakley, was weiß man Neues über die verschwundene Passagierin?»
    «Nichts. Sie ist weg. Wahrscheinlich Fischfutter. Futsch und perdu.»
    «Herr Oakley! Es ist empörend und unerträglich, wieSie von dieser Frau sprechen!» sagte Lucy. «Diese Frau ist schließlich ein Mensch!»
    «War!» sagte Oakley.
    «Ist oder war. Ein Mensch.»
    «Pah!» sagte Oakley. «Mensch! Was ist der Mensch! Ein Stück Scheiße, das glaubt, es ist ein Stern.»
    «Ich bitte Sie», sagte Kokoschkin.
    «Mich kotzt dieses ewige Gesäusel an», sagte Oakley. «Bin ich hier in der Kirche oder beim Lunch.»
    Lucy stand auf. Frank stand auf. Lucy sagte: «Ich kann mit Ihnen nicht mehr am Tisch sitzen, Herr Oakley. Wir werden um einen anderen Platz bitten.»
    «Das können Sie sich sparen. Ich bitte um einen anderen Platz.»
    Lucy und Frank gingen.
    Oakley stand auf, verbeugte sich knapp

Weitere Kostenlose Bücher