Koks und Karneval
nicht mehr erschüttern. Vielleicht sollte er statt ins Filos lieber ins Radau em Veedel gehen und KOKs Kaminski alles gestehen – oder er legte sich gleich zum Sterben in die Streusalzkiste. Irgendwie hatte er nicht das Gefühl, daß sich die Dinge zum Guten entwickelten, und damit hatte er recht.
Denn von hinten schlich sich wie ein hungriges Raubtier ein sargschwarzer Mercedes an ihn heran. Erst als Bernie die Bremsen quietschen hörte, schreckte er aus seinen düsteren Gedanken hoch, doch da war es schon zu spät – die Beifahrertür flog auf, eine Hand packte ihn am Kragen, und er fand sich unversehens auf dem Schoß des Teufels wieder. Der Teufel schlug die Tür zu.
»Mein Gott!« keuchte Bernie. Dann fiel sein Blick auf den schwerbewaffneten Rambo am Steuer. »Zu Hilfe!« kreischte er. »Ich werde entführt!«
Rambo gab Gas. Der Teufel grinste diabolisch und drückte ein Rasiermesser gegen Bernies Kehle.
»Hallo, Bernie«, sagte Charly Hoballa. »Zeit zum Sterben, du Ratte!«
»O je, o je, o je!«
Hoballa lachte hämisch. »Dich mach’ ich fertig, du Verräterschwein, das ist mal arschklar! Hast du wirklich geglaubt, du könntest Jorge und mich an die Bullen verpfeifen und trotzdem am Leben bleiben?«
»Aber ich hab’ euch nicht verpfiffen!« heulte Bernie. »Ehrlich, Charly, ich verpfeife doch nicht meinen besten Freund!«
Das Rasiermesser ritzte seine Haut. Ein Blutstropfen quoll hervor. Bernie war einer Ohnmacht nah.
»Lüg mich nicht an, du Ratte!« brüllte Hoballa. »Einer von uns dreien muß uns verraten haben, das ist ’ne arschklare Sache, und ich war’s nicht, und Jorge war es auch nicht. Also mußt du’s gewesen sein. Und dafür legen wir dich um. Arschklar, amigo? Arschklar!«
Jorge Gabriel Lorcaz grunzte zustimmend. Er verstand zwar nicht, was El Diablo zu dem Spinner mit der Antenne auf dem Kopf sagte, aber was er machte, fand sein Wohlgefallen. Es war fast wie daheim in Medellín.
»Zuerst werden wir dich häuten«, eröffnete El Diablo seinem Gefangenen in satanischer Vorfreude, »und dann an den Eiern aufhängen, und wenn du dann immer noch nicht zugibst, daß du ein Verräterschwein bist, wird Jorge dich richtig quälen, das ist so arschklar wie nur irgendwas!«
»Hauptsache, er läßt meine Nase in Ruhe«, keuchte Bernie in dem aussichtslosen Versuch, die gespannte Atmosphäre aufzulockern. »Aber im Ernst, Charly – du machst gerade einen ungeheuren Fehler! Du weißt es vielleicht noch nicht, aber du brauchst mich.«
»Klar brauch’ ich dich, arschklar – um dich in kleine Stücke zu schneiden!«
Hoballa lachte wieder, und wer dieses Lachen hörte, dem wurde arschklar, warum man ihn in der Kokainszene Balla-Balla-Charly nannte. Selbst Jorge Gabriel Lorcaz, der als professioneller Häuter und Eierabschneider die Grausamkeit zu seinem Beruf gemacht hatte, selbst diesem knochenharten kolumbianischen Gangster lief es bei Charlys Gelächter kalt wie Trockeneis über den Rücken.
»Aber ich weiß, wer den Koffer hat!« heulte Bernie.
»Das wissen wir auch, dafür brauchen wir kein Verräterschwein.«
»Aber ich weiß, wie ihr den Koffer zurückbekommen könnt!« heulte Bernie. »Mi maleta!«
Das verstand auch Jorge Gabriel Lorcaz. Er trat so abrupt auf die Bremse, daß Hoballa Bernie fast die Kehle durchgesäbelt und das teure Polster des teuren Mercedes mit Verräterblut beschmutzt hätte.
»Mi maleta?« wiederholte Lorcaz und drückte Bernie die Mündung seines M-16-Sturmgewehrs unter die Nase. »Donde está mi maleta, enano? Donde está mi coca, hijo de puta?«
»Nina und Susi Infernale«, sprudelte Bernie hervor. »Die beiden Schlampen, die ihr gestern besucht habt – sie haben den Koffer und wollen morgen den großen Deal machen. Am Dom, um Punkt zwölf Uhr. Mit meiner Hilfe könntet ihr sie in eine Falle locken und euch den Koffer zurückholen. Das ist doch eine Supersache oder wie oder was?«
Charly Hoballa zögerte.
Diesem beknackten Zwerg war nicht zu trauen, das war arschklar. Um dem Häuten und Eierabschneiden zu entgehen, würde der sogar seine Oma verkaufen. Aber vielleicht war an seinem Gefasel tatsächlich was dran. Vielleicht war er doch nicht das Verräterschwein, für das Charlie ihn hielt, sondern nur ein abgewrackter, durchgedrehter Doper. Wer konnte das schon wissen? Und Bernie bot ihnen derzeit die einzige Spur, die sie zu dem Kokskoffer führen konnte. Warum nicht Gnade vor Grausamkeit walten lassen? Dieser Ratte konnten sie auch noch
Weitere Kostenlose Bücher