Kolibri
Vorstellungsgespräch in Bergers Büro vor rund zwei Monaten. Berger war nett gewesen, hatte mit Karl über dessen Aufenthalt in Costa Rica geplaudert, hatte einige intelligente Fragen bezüglich Orchideen gestellt, hatte sich ganz als lockerer und moderner Chef präsentiert. Sicher, er war Karl ein klein wenig lächerlich vorgekommen, in seinem schicken Anzug, den er mit aus der Hose hängendem Hemd trug, ohne Krawatte, mit teuren Turnschuhen. Lächerlich, aber nicht ungut. Nach zwei Wochen in seinem neuen Job hatte Karl dann den anderen Berger kennen gelernt, den Mann mit einer Vision. Den Mann, der mit entrücktem Blick durch die Gänge schwebte, nichts und niemanden auÃer sich selbst wahrnahm und alles nur als Mittel zum Zweck betrachtete, auch Menschen, und dieser Zweck, der die Mittel heiligte, hieÃ
Patrick Berger ganz oben
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Karl setzte sich ein wenig auf und drehte den Kopf. Kollaritz starrte ihn an. âIch bin kein Feiglingâ, sagte Karl, leise, aber mit Nachdruck.
âWie würdest du dein Verhalten denn erklären?â
âIch habe eine Mission.â
âEine Mission?â
Karl dachte nach, eingehüllt in Musik, die über seinen Körper strich wie ein warmer Abendwind. âIch habâs ihm versprochenâ, sagte er schlieÃlich.
âDiesem Kubaner?â, fragte Kollaritz und verzog das Gesicht.
Karl nickte und kratzte sich am Hals. âRocÃn. Ich hab ihm mein Versprechen gegeben.â Dann schnappte er sich seinen Regenmantel und legte ihn über seinen Unterarm. âIch möchte gehenâ, sagte er.
âHör malâ, sagte Kollaritz, ânimm das nicht so ernst, was ich â¦â
Karl winkte ab. âSchon gut. Schlamm drüber, wie wir in Costa Rica immer gesagt haben. Ich hab einen anstrengenden Tag hinter mir und will nur noch ins Bett.â
Kollaritz nickte und winkte der Kellnerin. Karl nieste, wischte sich mit dem Handrücken über die Nase und nieste erneut.
âHat dir der Firmenarzt keine Tabletten gegen den Nies- und Juckreiz gegeben?â, fragte Kollaritz.
âDochâ, sagte Karl und fischte eine zerknautschte Kartonschachtel aus der GesäÃtasche seiner Jeans.
Kollaritz befingerte die Schachtel mit ungläubiger Miene. âMein Gott, das ist ja uralt. Hismanal. Dieses Medikament ist seit Jahren nicht mehr auf dem Markt. Welcher Arzt gibt dir so etwas?â
âEin netterâ, sagte Karl und lächelte.
Kollaritz nahm die Schachtel und warf sie in den Aschenbecher. âKomm kurz mit in meine Praxis, dann geb ich dir was Anständiges, Zyrtec oder Clarytin.â
âIst schon in Ordnungâ, sagte Karl, âwirklichâ, und griff nach der Schachtel.
Kollaritz klopfte ihm auf die Finger und sagte: âIch bestehe darauf.â
Karl seufzte. âVon mir aus.â
Die Kellnerin erschien. Sie strich sich die Dreadlocks aus dem Gesicht, warf einen Blick auf ihren Block und sagte: âDrei Achtel weià und eine Frucade, das macht â¦â
âIch zahl zwei Achtelâ, sagte Kollaritz.
Die Kellnerin rechnete. âMacht â¦â
âMoment malâ, sagte Karl. âIch hab nur eine Frucade getrunken.â
âUnd ein Achtel weiÃâ, sagte Kollaritz.
âDas hab ich nicht bestellt.â
âIch hab hier drei Achtel weià und eine Frucade stehenâ, sagte die Kellnerin und pochte mit dem Kugelschreiber ungeduldig auf den Block.
âIch zahl eine Frucadeâ, sagte Karl. âDie drei Achtel gehen auf ihn.â Er deutete auf Kollaritz.
âIch â¦â
âDu hast mich eingeladenâ, sagte Karl.
âIch hab dich nicht eingeladen.â
âDu weiÃt genau, dass ich keinen Wein trinke. Ich mag Wein nicht mal.â
âDeshalb hast du ja auch nur ein Achtel getrunkenâ, sagte Kollaritz.
âEs ist wirklich witzig, euch zuzuhörenâ, sagte die Kellnerin, âaber ich hab auch noch was anderes zu tun.â Sie blickte von Karl zu Kollaritz. âOkay, wer bezahlt das dritte Achtel?â
âErâ, sagten beide gleichzeitig.
FÃNF
Karl stülpte sich die Kapuze seines Regenmantels über den Kopf, schloss den obersten Druckknopf und kniff die Augen leicht zusammen. Der Regen hatte nachgelassen, war in ein dünnes Nieseln übergegangen. Die StraÃen schillerten und glänzten im Licht der Autoscheinwerfer und Reklameschilder, es waren kaum Leute
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