Kolibri
mitgebracht?â
Kollaritz saugte an seinem linken Daumen und hob die Hand. âStopp. Kein Wort über den Bauernhof.â
âIch hab den Bauernhof gar nicht erwähnt.â
âUmso besser. Ich muss geistig umnachtet gewesen sein, als ich ihn gekauft habe, im Delirium, nicht zurechnungsfähig.â
âMir gefällt erâ, sagte Karl.
âPahâ, sagte Kollaritz. âDu warst genau einmal drauÃen und damals hast du Kuhfladen für deine Orchideen eingesammelt. Ich sage dir, auf diesem Hof liegt ein Fluch.â
Karl verschränkte die Beine und lehnte sich vor. âWas ist diesmal passiert?â
âDu solltest die Beine parallel haltenâ, sagte Kollaritz, âsonst bekommst du Krampfadern.â
âIch bin jung, da bekommt man noch keine Krampfadern. Was ist jetzt mit dem Bauernhof?â
Kollaritz seufzte, trank seinen Wein aus und gab der Kellnerin ein Zeichen. âDas Dachâ, sagte er und zeigte Karl seinen linken Daumen. Er war blau-gelb verfärbt und geschwollen.
âLass mich ratenâ, sagte Karl. âDu hast dich, gegen meinen Rat, entschieden, die Schindeln selbst zu befestigen.â
âIch bin Arztâ, sagte Kollaritz, âich habe sieben Jahre Medizin studiert, ich führe eine Praxis, ich sollte wohl in der Lage sein, ein paar Schindeln auf einem Dach zu befestigen.â
âWieviel Quadratmeter hast du gedeckt?â, fragte Karl lächelnd und leerte seine Frucade. âZwei?â
Die Kellnerin erschien, stellte zwei Achtel WeiÃwein auf den Tisch, nahm das leere Glas und die Flasche mit und ging wieder.
âMehrâ, sagte Kollaritz, âviel mehr.â
âUnd wie viele Schindeln sind zu Bruch gegangen?â
âMit dir kann man über solche Dinge einfach nicht vernünftig redenâ, sagte Kollaritz und widmete sich die nächsten paar Minuten dem Film. Karl kratzte sich am Hals und dachte an die Szenein Bergers Büro. Berger hatte ihn behandelt wie einen Schulbuben und ihm gleichzeitig das Gefühl gegeben, dass ihm, Karl, eine Art Gnade zuteil werde, eine Art Lektion fürs Leben. Beim Gedanken an Berger spürte er einen harten, kompakten Klumpen in seinem Magen, der in unregelmäÃigen Abständen Schmerzwellen ausstrahlte.
âWeiÃt duâ, sagte Kollaritz schlieÃlich, während er sich wieder umdrehte und nach seinem Glas griff, âich liebe die Vorstellung von einem Leben im Grünen, aber ich hasse den Weg dorthin.â Er trank einen Schluck Wein und starrte sinnend auf die Lüftungsrohre, die unter der Decke verliefen.
âNimm dir ein paar Handwerkerâ, sagte Karl, âund lass sie zumindest die gröbsten Arbeiten erledigen.â
âNein. Ich werde vor so einem dämlichen Haus nicht in die Knie gehen. AuÃerdem weiÃt du doch, wie Handwerker sind. Wenn man sie nicht peinlichst genau überwacht, hängen sie nur herum und saufen, machen, falls sie überhaupt etwas tun, alles nur auf die schlampigste Weise, und dann stellen sie unverschämt hohe Rechnungen.â
Karl nahm einen Schluck Wein, spielte mit dem Glas und stellte es wieder auf den Tisch. âHol dir ein paar Pfuscher. Frühmorgens vor dem Arbeitsamt stehen sie sich die Beine in den Bauch.â
âKommt nicht in Frage. Ich werde mich nicht dazu hergeben, ein Unterstützer von Schwarzarbeit zu werden. Qualifizierte Fachkräfte kann und will ich mir nicht leisten, deshalb nehme ich die Sache selbst in die Hand.â
âDas sehe ichâ, sagte Karl und lachte.
âIch weiÃ, für dich ist das altmodischer Unsinn, aber für mich gibt es eben nur eine Art, etwas zu tun, nämlich die richtige.â
âAmenâ, sagte Karl und trank noch ein wenig Wein.
âHast du eigentlich nie ein schlechtes Gewissen wegen Maria?â, fragte Kollaritz.
âReden wir jetzt von der Orchidee oder von der Frau?â
Kollaritz machte eine wegwerfende Handbewegung. âVon der Blume natürlich.â
âNeinâ, sagte Karl, âich habe kein schlechtes Gewissen. Warum sollte ich?â
âWeil du die Orchidee gestohlen hast, deshalb.â
âIch hab sie nicht gestohlenâ, sagte Karl und verschränkte die Arme vor der Brust. âIch hab vergessen, sie beim Zoll zu deklarieren, das ist alles.â
âDeklarieren, ha, red nicht so geschwollen. Es ist verboten, wildwachsende Orchideen aus Costa Rica
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