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Kolibri

Kolibri

Titel: Kolibri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Benvenuti
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Er lehnte sich zurück und überkreuzte die Beine. „Wissen Sie, was mir gerade eingefallen ist?“, fragte er und fixierte Berger mit blutunterlaufenen Augen. „Vielleicht hätte es schon gereicht, wenn er mir gezeigt hätte, wie man einen Krawattenknoten bindet oder einen Drachen bastelt, oder wenn er mit mir einfach nur zweimal im Jahr in den Zoo gegangen wäre. Vielleicht hätte das schon genügt. Wenn er nicht bei jeder verdammten Demo auf diesem Planeten hätte dabei sein müssen und ich ihn nur alle paar Monate mal für ein paar Tage gesehen hätte. Vielleicht hätte ich nicht mehr gebraucht, verstehen Sie?“
    Berger, der kein Wort verstand, schüttelte den Kopf und wischte sich kalten Schweiß von der Stirn. Baumgartner war betrunken, soviel war klar, und er war in redseliger Stimmung, und Berger fragte sich, warum Baumgartner hierher gekommen war, ausgerechnet in die Firma, aus der er vor weniger als zwölf Stunden rausgeschmissen worden war. Was hatte dieser Spinner vor?
    â€žWie sind Sie reingekommen?“, fragte Berger.
    â€žHab die Klinke gedrückt“, sagte Baumgartner, „und, tata, offen war die Tür.“
    Offensichtlich hatte Schrempf vergessen, unten zuzusperren, nachdem er die Rosen verbrannt hatte. Berger beugte sich vor, stützte sich auf die Ellbogen und musterte Baumgartner, der sich mittlerweile auf dem Sofa ausgestreckt hatte, genauer. Hatte er irgendetwas bei sich, das ihm, Berger, gefährlich werden könnte, eine Waffe? Nein, abgesehen von der leeren Flasche konnte Berger nichts entdecken. Baumgartner war also nicht gekommen, um sich an Berger persönlich für den Rausschmiss zu rächen. Nur, weshalb war er sonst gekommen? Um seine Entlassungspapiere zu holen? Wohl kaum.
    Baumgartner setzte sich mit einem Ruck auf, starrte die leere Flasche in seiner Hand an und ließ sie zu Boden fallen, wo sie mit einem dumpfen Geräusch zerbrach. Während Baumgartner die Scherben betrachtete, die sich über den Teppich verteilten, sagte er: „Haben Sie das gehört? Hat kaum ein Geräusch gemacht, nur ein kleiner Knall. Ich bin sicher, niemand außerhalb des Gebäudes hat etwas gehört. Nur ein kleiner Knall. Schon seltsam, wie leicht so etwas gehen kann, nicht? Man passt eine Sekunde nicht auf, und tatsch“, er schlug sich mit der Hand auf den Oberschenkel, „schon ist es zu spät.“
    Berger zuckte zusammen und starrte auf die Scherben. Dann hob er den Kopf und warf Baumgartner einen verstohlenen Blick zu. Der Spinner wollte ihm etwas sagen, nur was? Dieses Gequatsche von Krawattenknoten und Drachen basteln und einem kleinen Knall bedeutete etwas, ergab, zumindest in Baumgartners alkoholumnebelten Gehirn, Sinn.
    Baumgartner erhob sich mühsam vom Sofa, tänzelte um die Scherben herum und trat zur Terrassentür. „Sie zwingen mich geradezu, Herr Berger, wissen Sie das?“, sagte er, mit dem Rücken zu Berger. „Ich meine, ich wollte nicht hierher kommen, ich wollte es nicht tun, aber Sie zwingen mich.“
    Berger spürte, wie der Schweiß sich zwischen seinen Schulterblättern sammelte und seinen Rücken hinablief. Er griff zum Telefon, als Baumgartner sich plötzlich umdrehte, zum Schreibtisch ging und sich mit den Händen gegen die Kante stemmte. „Ich wollte es nicht tun, verstehen Sie, aber ich musste. Ich musste hierher kommen. Das Labor fliegt in die Luft, Sie schmeißen mich raus, obwohl ich hätte draufgehen können, ich meine, was erwarten Sie von mir?“
    Berger starrte in Baumgartners Augen, die Augen eines Wahnsinnigen, und während er versuchte, aus dem Gestammel von Baumgartner schlau zu werden, dämmerte ihm plötzlich die schreckliche Wahrheit.
    â€žWie lange sind Sie schon hier?“, fragte er mit leiser Stimme.
    Baumgartner lachte rau und strich sich die Haare aus dem Gesicht. „Zu lange“, sagte er, „viel zu lange.“
    Berger schluckte. „Waren Sie auch im Keller, in den Labors?“
    Baumgartner stieß sich von der Schreibtischkante ab und nickte. „Da unten? Natürlich war ich da unten, das wissen Sie doch. Da hat doch alles angefangen, mit einem gewaltigen Knall. Da hat das Verhängnis seinen Lauf genommen.“
    â€žVerhängnis?“
    â€žDie Zentrifuge, die in die Luft geflogen ist, das freigesetzte Öl, das angeblich harmlos war.“
    â€žUnd deshalb sind Sie

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